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Medizinischer Fortschritt ist wichtig - Tierversuche sind der falsche Weg!

Von Seiten der Tierversuchsbefürworter wird regelmäßig behauptet, dass nur die notwendigsten Tierversuche gemacht und diese, bevor sie stattfinden, in einem aufwändigen Genehmigungsprozedere auf ihre „Unerlässlichkeit“ von einer „Ethik-Kommission“ geprüft würden. Bei genauerer Betrachtung jedoch ist der Genehmigungsprozess nicht viel mehr als reine Formsache.  

Das Genehmigungsprozedere

Das Tierschutzgesetz unterscheidet zwischen genehmigungspflichtigen Tierversuchen und solchen, die einem vereinfachten Genehmigungsverfahren (bisher anzeigepflichtige Tierversuche) unterliegen. Zu den Unterschieden siehe weiter unten. Wer einen genehmigungspflichtigen Tierversuch beantragen will, muss sich an die zuständige Genehmigungsbehörde wenden. Das sind meist die Regierungspräsidien. Den Genehmigungsbehörden stehen beratende Kommissionen nach § 15 des Tierschutzgesetzes zur Seite, siehe dazu weiter unten.

Der Genehmigungsantrag beruht auf den Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes. Der Experimentator muss in seinem Antrag unter anderem Angaben zu seinem Tierversuchsvorhaben machen hinsichtlich

  • Zweck,
  • Unerlässlichkeit
  • ethischer Vertretbarkeit
  • der Frage, ob der Versuchszweck auch mit tierversuchsfreien Methoden erreicht werden kann
  • Art und Anzahl der Tiere
  • zu erwartendem Leid für die Tiere (Schweregrad

Der Genehmigungsprozess war aus Sicht des Tierschutzes schon immer zu lax und kaum mehr als ein bürokratischer Akt. 2012 hatte das Oberverwaltungsgericht Bremen in seinem fatalen Urteil über die Bremer Affenhirnversuche der Behörde eine umfangreiche Prüfkompetenz abgesprochen und diese auf eine bloße Plausibilitätskontrolle reduziert, was 2014 vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurde. Das heißt, die Behörde durfte den Tierversuchsantrag nicht mehr inhaltlich überprüfen und ethisch abwägen.

Entsprechend war im Tierschutzgesetz verankert, dass ein Tierversuch genehmigt werden musste, wenn die Formalitäten erfüllt sind. Es reichte aus, wenn der Experimentator selbst die Unerlässlichkeit und ethische Vertretbarkeit des Versuchs wissenschaftlich begründet hatte.

In ihrem Vertragsverletzungsverfahren hatte die EU 2018 deutlich moniert, dass Deutschland der Verpflichtung einer unabhängigen Überprüfung eines Tierversuchs nicht nachkommt. Erst auf vehementen Druck von der EU hat Deutschland die gerügte Mängelliste 2021 nachgebessert, darunter auch diesen Punkt. Nun ist geregelt, dass die Prüfung durch die zuständige Behörde „mit der Detailliertheit erfolgt, die der Art des Versuchsvorhabens angemessen ist“.

„Die Genehmigung eines Versuchsvorhabens ist nach Prüfung durch die Behörde zu erteilen, wenn aus wissenschaftlicher oder pädagogischer Sicht gerechtfertigt ist“, dass er unerlässlich ist, und nicht durch bloße Rechtfertigung durch den Experimentator selbst.

Letztlich wurde damit zwar auch die besonders fatale Auswirkung des „Bremer Urteils“ korrigiert. In der Praxis jedoch ist der Genehmigungsprozess von Tierversuchen dennoch, wie auch in Zeiten vor dem „Bremer Urteil“ nicht viel mehr als eine Formalie. Aus Sicht des Tierschutzes ist das Prozedere eine Farce, wie sich auch in der Ablehnungsquote von Tierversuchen widerspiegelt, die seit Jahrzehnten kaum mehr als Null ist. Immerhin aber haben Behörden jetzt die Möglichkeit, einen Tierversuchsantrag auch inhaltlich zu prüfen.

Welche Tierversuche unterliegen dem vereinfachten Genehmigungsverfahren?

Tierversuche, die bisher nur anzeigepflichtig waren, wie z. B. gesetzlich vorgeschriebene Versuchsvorhaben im Rahmen der Arzneimittelzulassung oder Tierversuche zu diagnostischen Zwecken, unterfallen zukünftig einem vereinfachten Genehmigungsverfahren. Gegenüber dem Anzeigeverfahren ist das eine potenziell stärkere Prüfmöglichkeit durch die Behörde. Diese Änderung beruht auf der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die EU-Tierversuchsrichtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Obwohl jede wissenschaftliche Basis fehlt, sind Vorschriften zur Durchführung von Tierversuchen in zahlreichen Rechtsvorschriften auf internationaler Ebene, in der EU und in Deutschland verankert. Beispiele sind das Arzneimittelgesetz, Chemikaliengesetz, Futtermittelgesetz, Gentechnikgesetz, Infektionsschutzgesetz, Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz, Pflanzenschutzgesetz oder Tierseuchengesetz. Das heißt, dass neue Medikamente oder Chemikalien vor der Anwendung am Menschen oder vor Inverkehrbringen zunächst eine meist sture Batterie an Tierversuchen durchlaufen.

Das können Versuche sein, in denen die Giftigkeit einer Substanz getestet wird, und auch für die Marktzulassung von Medikamenten sind noch immer Tierversuche vorgeschrieben. Nicht etwa, um uns Menschen vor Schaden zu bewahren, sondern zur rechtlichen Absicherung der Firmen.

Das heißt, in vielen Bereichen werden Tiere ohne umfangreiche Überprüfung qualvollen Versuchen unterzogen, obwohl diese jenseits jeder wissenschaftlichen Sinnhaftigkeit und ethischen Vertretbarkeit stattfinden. Schon lange fordern wir daher den Ausstieg aus dem Tierversuch. In unserer Datenbank Non Animal Technologies (NAT) sind zahlreiche Forschungsmethoden beschrieben, die aufzeigen, wie innovative Forschung ganz ohne Tierversuche funktioniert. 

Welche Tierversuche müssen genehmigt werden?

Der Großteil der Tierversuche unterliegt der Genehmigungspflicht, die jedoch, wie oben beschrieben, reine Formsache ist. Hierunter fallen insbesondere Tierversuche im Bereich der Grundlagen- und Arzneimittelforschung. Hier sind Tür und Tor für abwegige und grausame Tierversuche weit geöffnet und wirksame Möglichkeiten, einen Tierversuchsantrag abzulehnen, gibt es nicht, auch nicht durch die Einführung der von der EU geforderten Überprüfungsmöglichkeit durch die Behörden. Dass in Deutschland weniger als 1 % der Anträge zur Durchführung von Tierversuchen abgelehnt werden, zeigt eine in der Fachzeitschrift ALTEX erschienenen Studie unseres Vereins. Einem Bericht der EU zufolge liegt die Ablehnungsquote von Tierversuchen in Deutschland sogar bei 0 %.

Für Versuche zur Aus-, Fort- und Weiterbildung, die unter anderem Bestandteil im Studium der Medizin, Tiermedizin und Biologie sind, galt in Deutschland die bloße Anzeigepflicht. Erst auf massiven Druck durch die EU (Vertragsverletzungsverfahren, siehe oben) hat Deutschland diesen Verstoß gegen die EU-Tierversuchsrichtlinie korrigiert. Diese Versuche sind seit Januar 2021 genehmigungspflichtig.

Die „Ethik“-Kommission

Zunächst eine Klarstellung: Eine „Ethik“-Kommission in Zusammenhang mit Tierversuchen gibt es gar nicht, auch wenn häufig davon gesprochen wird. Vielmehr soll damit suggeriert werden, dass ethische Aspekte berücksichtigt werden, wenn es um die Entscheidung geht, ob ein Tier im Versuch verwendet werden darf oder nicht. Bei dieser Kommission handelt es sich um eine Kommission nach § 15 des Tierschutzgesetzes, die der Unterstützung der zuständigen Genehmigungsbehörden bei der Entscheidung über die Genehmigung von Versuchsvorhaben und der Bewertung angezeigter Änderungen genehmigter Versuchsvorhaben, dient. Diese § 15-Kommission steht der Behörde nur beratend zur Seite, die Entscheidung über die Genehmigung eines Tierversuchs obliegt allein der Behörde. 

In den meisten Fällen besteht die Kommission zu zwei Dritteln aus Wissenschaftlern und nur zu einem Drittel aus Tierschutzvertretern. Ein Großteil der Mitglieder aus den Wissenschaftsreihen befürwortet Tierversuche oder führt selbst welche durch. Oftmals gelingt es sogar Tierversuchsverfechtern für die „Tierschutzseite“ an der Kommission teilzunehmen. Hier ist vor allem die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT) zu nennen, die sich als „Tierschutzverein“ geriert, deren Mitglieder sich aber überwiegend pro Tierversuche aussprechen. So ist die Kommission treffender als Tierversuchs-Kommission zu bezeichnen. 

Die Mitglieder unterliegen der Schweigepflicht. Obwohl Tierversuche jedes Jahr mit Milliarden aus unseren Steuergeldern finanziert werden, finden diese hinter verschlossenen Labortüren statt. Damit jeder Bürger sich dennoch einen Einblick in das Leid der Tiere verschaffen kann,  sind in der Datenbank Tierversuche tausende an Versuchen in Deutschland dokumentiert, die auf den Originalpublikationen der Experimentatoren beruhen. 

Fazit

Der Genehmigungsprozess von Tierversuchen ist lediglich ein bürokratischer Akt und letztlich darf an Tieren ohne wirksame Einschränkung herumexperimentiert werden.

27. Januar 2021

Dipl. Biol. Silke Strittmatter

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