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In der Apotheke oder beim Arzt ist vielen das Wort sicher schon einmal begegnet: Generikum oder, in der Mehrzahl, Generika. Hier handelt es sich um Arzneimittel, die eine Art Kopie des Original- oder Referenzmedikaments sind. Diese werden aber von einem anderen Pharmaunternehmen hergestellt, sozusagen nachgebaut. Zwei Dinge verbinden die meisten Menschen mit Generika: einen günstigen Preis und dass der Hersteller tierversuchsfrei produziert. Daher beleuchten wir das Thema einmal.

Das Deutsche Arzneimittelgesetz regelt in §24b die Zulassung und definiert, was ein Generikum ist: Es handelt sich um ein Präparat, welches die gleiche Zusammensetzung der Wirkstoffe (oder des Wirkstoffs), die gleiche Menge sowie die gleiche Darreichungsform wie das Original hat. Im Klartext: Wenn das Referenzarzneimittel in Form einer Tablette zum Schlucken mit 5 mg Wirkstoff ist, dann muss das Generikum diese Voraussetzungen ebenfalls erfüllen. Diese Vorgaben gelten übrigens nicht für Zusatz- und Hilfsstoffe, also Stoffe, die für die Wirksamkeit keine Bedeutung haben – so kann es durchaus sein, dass das Original eine blaue Farbe hat, das Generikum aber weiß ist.

Warum sind Generika so günstig?

Der Grund ist nicht, dass die Qualität geringer ist, sondern es liegt an den Kosten des Referenzarzneimittels. Arzneimittelforschung und -entwicklung dauern sehr lange und sind mit hohen Kosten verbunden: Im Schnitt vergehen 13 Jahre, bis vom Suchen und Finden von Wirkstoffen das Präparat dann wirklich auf den Markt kommt – nicht zuletzt auch wegen umfangreicher Tierversuchs-Studien. Wenig überraschend, dass Pharmafirmen daher pro Wirkstoff mit einer Investition von 1 - 1,6 Milliarden US-Dollar rechnen müssen (1). Dieses Geld wollen die Pharmafirmen aber schließlich wieder reinholen und Gewinn machen. Aus diesem Grund lassen sich viele Unternehmen bereits in früheren Phasen vielversprechende Wirkstoffe patentieren und nicht erst kurz vor der Zulassung. Kommt der patentierte Wirkstoff auf den Markt, darf zunächst kein anderer Hersteller diese Substanz ebenfalls produzieren. Das gibt dem Hersteller des Referenzarzneimittels den Vorteil, eine Monopol-Stellung am Markt zu halten – was dann auch dazu führt, dass für Medikamente, auf denen noch ein Patent ist, ein hoher Preis gezahlt werden muss.

Dieses Geld wird auch dazu genutzt, die Kosten für die ganzen Wirkstoffe aufzufangen, die auf dem Weg zur Zulassung scheitern: Im Schnitt gelangen von 100 Wirkstoffen, die in Tierversuchen wirksam und unbedenklich waren, bis zu 95 nicht auf den Markt (2). Hauptgründe sind hier, dass die Arznei beim Menschen nicht wirkt und/oder Nebenwirkungen verursacht – während die vorab erfolgten Tierversuche fälschlicherweise zeigten, dass die Substanz vielversprechend und nebenwirkungsfrei ist. Das System Tierversuch mit den sich daraus ergebenden häufigen Fehleinschätzungen verschlingt also hohe Summen an Geldern.

Nach Ablauf des 20 Jahre währenden Patents, aber frühestens 8 Jahre nach Markteinführung eines neuen Wirkstoffs, dürfen dann auch andere Pharmafirmen den Wirkstoff herstellen. Da die reine Produktion und Verpackung eine meist recht günstige Angelegenheit ist, können diese Hersteller ihr Präparat deutlich preisgünstiger verkaufen – teilweise sind Generika um das 20-fache billiger als das Original (3).

Werden Tierversuche für Generika durchgeführt?

Da der betreffende Wirkstoff bereits durch den Original-Hersteller ein umfangreiches Zulassungsverfahren durchlaufen hat, zudem schon recht lange auf dem Markt ist und somit bereits von vielen Menschen eingenommen wurde, liegen viele Daten vor.

Plant ein Pharmaunternehmen den Vertrieb des Medikaments mit der gleichen Darreichungsform (z.B. Tablette), mit der gleichen Menge (z.B. 5 mg), dann können diese Daten von der Generika-Firma genutzt werden, um die Zulassung des eigenen Präparats zu beantragen. Normalerweise müssen Hersteller neuartiger Arzneimittel gesetzlich vorgeschrieben auch Daten aus u.a. präklinischen Studien vorlegen, sprich: aus Tierversuchen. Da der Wirkstoff aber bereits zugelassen und etabliert ist, müssen die Hersteller für ihre Generika keine neuen Tierversuche durchführen.

Das „aber“ lässt nur leider, wie so oft, nicht lange auf sich warten: 100 %ig sicher sein kann man sich auch bei Generika nicht, dass deren Zulassung und Herstellung immer ohne Tierversuche abläuft. In seltenen Fällen können Behörden Tierversuche verlangen, beispielsweise, wenn Bioverfügbarkeitsstudien nicht ausreichend sind, der Wirkstoff verändert oder auch ein anderes Anwendungsgebiet angestrebt wird.

Neben Sicherheit und Wirksamkeit für den Menschen gibt es aber noch ein weiteres Gebiet, in dem ein Generikum Datenlage vorweisen muss: der Ökotoxikologie, also die Bewertung des Risikos für die Umwelt. Dazu gibt es eine Richtlinie (4), die einige Versuche, u.a. auch mit Fischen, vorschreibt. Ein neues Arzneimittel muss bestimmte ERA-Daten (Environmental Risk Assessment = Umweltrisikobewertung) zur Zulassung einreichen, bei Generika ist dort aber verzeichnet, dass eine ERA entfallen kann, wenn das Fehlen gut begründet werden kann. In der Praxis heißt das aber: Es können im Rahmen der Ökotoxikologie immer noch Tierversuche verlangt werden. Zudem ist der Datenschutz über ERA-Daten nicht explizit geregelt, sodass Vorantragsteller die Daten zeitlich unbegrenzt unter Verschluss halten können – und Generika-Hersteller in solchen Fällen gezwungen sind, diese Tierversuche nochmals zu wiederholen (5). Somit erschweren sie nicht nur die (frühere) Herstellung günstiger Generika, sondern verursachen dazu auch noch die Wiederholung leidvoller Tierversuche.

Absurd ist, dass in Zeiten von Multi-Organ-Chips und 3D-Biodruck selbst bei Wirkstoffen, die vorhandenen Wirkstoffen gleich oder zumindest sehr ähnlich sind, immer noch Tierversuche verlangt werden. Kein Tier kann mit Sicherheit die Reaktion des Menschen vorhersagen und die oben erwähnte Misserfolgsquote von Medikamenten geht zum Großteil schließlich auf die Unwirksamkeit und/oder Nebenwirkungen, die der Tierversuch nicht vorhersagen konnte, zurück.

Erstes veganes Medikament

Dass Behörden erneute Tierversuche verlangen, mag nicht oft vorkommen, aber nichtsdestotrotz sollte im Zweifelsfall der Hersteller kontaktiert werden, wenn man sich sicher sein möchte. Erfreulich: 2022 wurde das erste von der Vegan Society zertifizierte Paracetamol-Generikum der deutschen Firma Axunio auf dem deutschen Markt zugelassen. Vegan bedeutet allerdings nicht automatisch tierversuchsfrei; auf Nachfrage wurde uns versichert, dass, wie bei den meisten Generika, keine Tierversuche für den Zulassungsprozess durchgeführt wurden, wie die Siegelkriterien der Vegan Society auch verlangen. Es ist ein umständlicherer und schwierigerer Weg, wenn ein Hersteller von sich aus Flagge zeigen möchte – bleibt zu hoffen, dass trotzdem viele weitere diesem positiven Beispiel folgen.
„Nehmen oder nicht nehmen?“ – Diese Frage kann nur der behandelnde Arzt, zusammen mit dem Patienten, entscheiden; zudem ist es abhängig von der Krankheit und Therapie. Grundsätzlich aber ist es ratsam und sinnvoll, durch einen gesunden Lebenswandel Krankheiten vorzubeugen, sodass Medikamente gar nicht erst benötigt werden. Eine gesunde, pflanzenbasierte Ernährung, der Verzicht auf Genussgifte und regelmäßige Bewegung helfen, insbesondere den typischen Zivilisationskrankheiten vorzubeugen. Sollte dann trotzdem ein Medikament nötig werden, sollte niemand auf auch neue Medikamente verzichten, weil vorab Tierversuche durchgeführt wurden, denn kein Tierversuch würde durch einen etwaigen Verzicht verhindert werden.

30.03.2023
Dipl.-Biol. Julia Radzwill

Quellen

  1. Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (vfa). So entsteht ein neues Medikament. 07.02.2018
  2. Arrowsmith J. Nature Reviews Drug Discovery 2012; 11(1):17–18
  3. Stukenberg T. Der Spiegel. Krankenkassen könnten zwei Milliarden Euro sparen. 20.08.2014
  4. European Medicines Agency Environmental risk assessment of medicinal products for human use - Scientific guideline
  5. Oelkers K. Sustainable Chemistry and Pharmacy 2021; 20:100399