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Erneutes Scheitern der tierexperimentellen AIDS-Forschung

Über 40 Jahre nach der Entdeckung der durch das Humane Immundefizienz-Virus (HIV) verursachten Immunschwäche AIDS hat die überwiegend tierexperimentell ausgerichtete Forschung noch immer keinen Impfstoff hervorgebracht. Im November 2023 wurde eine weitere Impfstoff-Studie abgebrochen. Nun wurden in München auf der Konferenz ‘AIDS 2024‘ die niederschmetternden Ergebnisse vorgestellt: Die Impfstoffkombinationen schützten nicht nur nicht vor der Infektion, sondern die geimpften Studienteilnehmer infizierten sich sogar häufiger als diejenigen, denen ein Placebo verabreicht wurde.

An der PrEPVacc-Studie nahmen 1.512 gesunde Erwachsene aus Süd- und Ostafrika mit einem erhöhten Risiko für eine HIV-Infektion teil. Die Teilnehmer wurden in vier Gruppen eingeteilt. Zwei Gruppen erhielten zwei verschiedene Impfstoffkombinationen, zwei weitere Gruppen ein Placebo. Allen Teilnehmern wurden zudem Medikamente zur Präexpositionsprophylaxe (PrEP) und eine umfassende Beratung zur Vermeidung einer Infektion zur Verfügung gestellt (1).

Aufgrund dieser präventiven Maßnahmen war damit zu rechnen, dass sich vergleichsweise wenig Teilnehmer mit HIV anstecken. Sollten die Impfstoffe wirken, wäre jedoch mit weniger HIV-Infektionen in den Impfstoffgruppen zu rechnen gewesen. Doch genau das Gegenteil war der Fall: Unter den geimpften Teilnehmern steckten sich je nach Gruppe 1,7 oder 2,4 von 100 Teilnehmern an, während sich in den Placebogruppen nur etwa 0,5 von 100 Teilnehmern infizierten (2). Die Ursachen dafür sind noch nicht bekannt. Es könnte sich um ein Problem im Studiendesign handeln, bei dem die geringe Anzahl an Personen, die sich während der Studie infizierten, zu einer geringen Aussagekraft führt. Denkbar wäre aber auch, dass die Impfstoffe die Wirksamkeit der Präexpositionsprophylaxe verringerten.

Fest steht, dass die getesteten Impfstoffkombinationen keinen Schutz vor HIV bieten. Angesichts der Methoden, mit denen HIV-Impfstoffe vor den Studien an menschlichen Patienten getestet werden, ist dies wenig überraschend: Es wird an Tieren geforscht, welche sich nicht einmal mit HIV infizieren lassen (3). So müssen Mäusen menschliche Immunzellen eingepflanzt werden, damit sich das Virus in ihnen vermehrt. Dazu werden ihnen bspw. aus menschlichen Embryonen gewonnene Zellen implantiert. Auch nicht-menschliche Primaten lassen sich nicht mit HIV infizieren. Bei ihnen werden stattdessen an Affen angepasste Viren (SIV; simiane Immundefizienz-Viren; von simian = Affen) eingesetzt. Aus der Verwendung von Modellviren ergibt sich der unlösbare Konflikt zwischen der Notwendigkeit, das Virus so zu verändern, dass es dem menschlichen HIV ähnlicher wird, aber gleichzeitig noch Affen infizieren kann. Die tierexperimentelle HIV-Forschung dreht sich also im Wesentlichen um die Optimierung sogenannter Tiermodelle und Modellviren – und hat mit der menschlichen Infektion nichts gemein (3).

Die gescheiterte PrEPVacc-Studie reiht sich in eine enorme Zahl von Fehlschlägen ein. So wurde Anfang 2023 die Mosaico-Studie wegen fehlender Wirksamkeit eingestellt. Der Impfstoff, der in Versuchen an Affen gute Ergebnisse zeigte, wirkte beim Menschen nicht (4). Nach Aussage des Virologen Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn, gab es bereits 500 bis 600 Phase-1-Studien, bei denen potenzielle HIV-Impfstoffe – nach erfolgversprechenden Versuchen an Tieren – erstmals am Menschen getestet wurden. Sie sind alle gescheitert. Angesichts dieser Bilanz setzt Streeck auch keine großen Hoffnungen in die derzeit noch laufenden 20 Phase-1-Studien zu HIV-Impfstoffen (4).

Die tierexperimentell ausgerichtete HIV-Forschung hat bisher vor allem immer neue „Tiermodelle“ hervorgebracht, in denen Tiere aufwändig mit HIV oder ähnlichen „Modellviren“ infiziert werden. Einen Impfstoff bleibt sie bis heute schuldig. Um endlich ein umfassendes Verständnis der menschlichen Infektion zu erhalten, ist die Verwendung humanbasierter Methoden und Modelle, etwa mit menschlichen Blutzellen, erforderlich. Nur so ist die Entwicklung effektiver Wirk- und Impfstoffe gegen HIV möglich.