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Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat eine Testvorschrift anerkannt, nach der die Testung von Chemikalien auf ihre Schädlichkeit für die Fortpflanzungsfähigkeit an der Hälfte der bislang verwendeten Tiere erfolgen kann. Der bundesweite Verein Ärzte gegen Tierversuche rechnet mit Millionen eingesparter Tieropfer, kritisiert jedoch, dass weiterhin an den vollkommen unsinnigen, veralteten und ethisch bedenklichen Tierversuchen festgehalten wird.

Die OECD, der die 34 größten Industrienationen der Welt angehören, gibt in Richtlinien vor, wie Chemikalien für die gegenseitige Anerkennung zu testen sind – größtenteils in Tierversuchen. Beim Test auf Entwicklungsschäden wird bislang in der sogenannten Zwei-Generationen-Studie die Substanz Ratten während der Schwangerschaft und Stillzeit täglich mit einer Schlundsonde in den Magen eingegeben, ebenso ihren Jungen, bis diese selbst Nachkommen haben und diese abgestillt sind. Für die Tiere ist allein die tägliche Verabreichung eine Tortur. Je nach Art und Dosierung des Stoffs kann es zudem zu Vergiftungserscheinungen wie Abmagerung, Durchfall, Lähmungen oder Krämpfen kommen. Die Elterntiere sowie die Nachkommen der 1. und 2. Generation werden getötet, um ihre Organe auf Veränderungen zu untersuchen. Für eine einzelne Substanz werden etwa 2.600 Tiere »verbraucht«.

Bei der jetzt von der OECD anerkannten erweiterten Ein-Generationen-Reproduktionsgiftigkeitsstudie wird auf Giftigkeitstests an der zweiten Generation verzichtet, so dass pro Testsubstanz rund 1.400 Tiere weniger leiden und sterben müssen.

Die Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche begrüßt diesen Schritt, insbesondere vor dem Hintergrund zahlreicher anstehender Tierversuche im Zusammenhang mit der EU-Chemikalienverordnung REACH und zukünftigen EU-Regelungen für Pflanzenschutzmittel. Allein im Rahmen von REACH ist in den nächsten drei Jahren von 2.000 Chemikalien auszugehen, die in reproduktionstoxikologischen Studien untersucht werden sollen. Das heißt, durch die reduzierte Testvorschrift können 2,8 Millionen Ratten eingespart werden.
»Dies ist zumindest die Theorie. Im Moment ist noch nicht klar, wann und wie im Detail die geänderte Vorschrift für REACH umgesetzt wird«, erläutert Dr. med. vet. Corina Gericke, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Ärzte gegen Tierversuche. »Wir werden uns mit unseren Partnern von der Europäischen Koalition zur Beendigung von Tierversuchen (ECEAE) bei der EU-Chemikalienbehörde ECHA dafür stark machen, dass die Ein-Generationen-Studie umgehend für REACH akzeptiert wird.«

Die Anerkennung durch die OECD erfolgte in der Rekordzeit von vier Jahren. Normalerweise vergehen 10-15 Jahre, bis tierversuchsfreie Methoden in die Testvorschriften aufgenommen werden. Die beschleunigte Anerkennung vorangetrieben hat maßgeblich ICAPO, ein weltweiter Zusammenschluss von Tierschutzorganisationen, dem auch der Dachverband ECEAE angehört.

Der Ärzteverein sieht in diesem Schritt eine Maßnahme, die kurzfristig viele Tierleben retten kann. Tatsächlich bedürfe es jedoch einer vollständigen Abschaffung von Tierversuchen, nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch wegen der mangelnden Aussagekraft von Tierversuchen. »Wir müssen endlich von der Vorstellung Abschied nehmen, Tierversuche könnten unsere Chemikalien oder Medikamente sicher machen«, so Tierärztin Gericke. »Das Gegenteil ist der Fall. Tierversuche wiegen uns in einer Scheinsicherheit. Da Mensch und Tier ganz unterschiedlich auf Substanzen reagieren können, ist eine Beurteilung auf Grundlage von Tierversuchen reine Spekulation.«