EU-Tierversuchsstatistik 2022
- Pressemitteilung
Über 9,3 Millionen Tiere starben in den Laboren
Aus der kürzlich von der EU-Kommission veröffentlichten Tierversuchsstatistik geht hervor, dass im Jahr 2022 über 9,3 Millionen Tiere für Versuche leiden und sterben mussten. Deutschland hat daran mit über 1,7 Millionen Tieren einen Anteil von über 18 % und belegt nach Frankreich (mit 2,1 Millionen Tieren) den unrühmlichen 2. Platz in der Statistik. Der bundesweite Verein Ärzte gegen Tierversuche kritisiert die seit Jahren hohe Zahl an Tierversuchen, die belegen, dass die bisherigen Bemühungen zur Reduktion von Tierversuchen ins Leere laufen. Selbst durch die Behörden anerkannte tierversuchsfreie Methoden werden nicht konsequent eingesetzt.
Im Jahr 2022 wurden in der EU und Norwegen 8.385.397 Tiere erstmals in Tierversuchen „verwendet“. Zusätzlich wurden 92.448 Tiere in Tierversuchen „wiederverwendet“, so dass insgesamt 8.487.845 Tiere direkt in Versuchen eingesetzt und allergrößtenteils getötet wurden. Hinzu kommen noch 862.884 Tiere, die für die Entwicklung und den Erhalt genetisch veränderter Linien - deren Einsatz in Tierversuchen kontinuierlich steigt - eingesetzt wurden, so dass die EU-Tierversuchsstatistik insgesamt 9.340.729 Tiere erfasst (1). Sie berücksichtigt dabei noch nicht einmal alle Tiere, da für wissenschaftliche Zwecke (etwa zur Organentnahme) getötete Tiere und sogenannte Überschusstiere (die für Versuche gezüchtet aber nicht verwendet und als „Überschuss“ getötet wurden) nicht eingeschlossen sind. So ist die tatsächliche Anzahl der Tiere, die für Tierversuche gestorben sind, wesentlich höher als die Statistik vorgibt.
Bei den erstmals in Tierversuchen eingesetzten Tieren handelt es sich überwiegend um Mäuse (über 4 Millionen Tiere), Fische (über 2,5 Millionen Tiere) und Ratten (über 600 Tausend Tiere). Aber auch 8.709 Hunde, 1.409 Katzen und 5.784 Primaten und viele weitere Tiere mussten in den Versuchen leiden und sterben. Bei den Primaten ist die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 8,8 % gestiegen. Hier ist davon auszugehen, auch wenn nicht aus der EU-Statistik ersichtlich, dass die meisten Primaten in qualvollen Giftigkeitstests eingesetzt werden und ein nicht unerheblicher Teil oft jahrelang in der invasiven Affenhirnforschung leiden muss (2).
Im Vergleich zum Jahr 2021 zeigt die Statistik für 2022 einen Rückgang der erstmals in Tierversuchen eingesetzten Tiere um 10,9 %. Dieser Rückgang ist jedoch nicht auf eine effektive Bemühung zur Reduktion der Tierversuchszahlen zurückzuführen, sondern fußt im Wesentlichen darauf, dass im Jahr 2021 drei Projekte mit über 1,3 Millionen Fischen die Statistik kurzfristig in die Höhe schnellen ließ (1). Im Vergleich zum Jahr 2020 zeigt sich für 2022 dagegen sogar ein Anstieg von 5,6 %.Dies ist nicht in Einklang zu bringen mit der steigenden Verfügbarkeit leistungsstarker tierversuchsfreier Methoden und den oft beteuerten Bemühungen um eine Reduktion der Tierversuchszahlen.
„Besonders dramatisch ist, dass der Anteil der ‚schwer belastenden‘ Tierversuche fast nicht sinkt. Dieser lag 2022 bei 9,2 %, d.h., dass über 784.000 Tiere besonders schwer leiden mussten,“ erklärt Dr. Johanna Walter, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Ärzte gegen Tierversuche. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Schweregrad von den Experimentatoren selbst angegeben wird, so dass eine zu niedrige Einstufung wahrscheinlich ist. Der Anteil dieser schwersten Kategorie lag in den letzten Jahren zwischen 10 und 11 %.
Im Jahr 2022 wurden 37 % der Tiere (3,1 Millionen Tiere) in der per Definition zweckfreien Grundlagenforschung verwendet, welche weiterhin den größten „Verbrauch“ von Tieren verursacht, dicht gefolgt von 35 % für die translationale und angewandte Forschung (rund 3 Millionen Tiere).
Bei den Tierversuchen, die im Bereich der Regulatorik, also der gesetzlich vorgeschriebenen Tests, durchgeführt wurden, kam es zu einem Rückgang der Tierversuche um 16 % auf 1,1 Millionen Tiere, wobei sich damit ein bereits seit Jahren bestehender Trend fortsetzt. Dieser lässt sich durch die Veränderungen der Vorschriften für menschliche Arzneimittel erklären. So führte die Ankündigung der Streichung des Kaninchen-Pyrogentests aus dem Europäischen Arzneibuch zu einem Rückgang der leidvollen Tests um 19 % im Vergleich zum Vorjahr. Diese Streichung ist nach Auffassung von Ärzte gegen Tierversuche längst überfällig, da bereits seit 30 Jahren tierfreie Verfahren zur Verfügung stehen und wird nun endlich im Jahr 2025 zum Aus des Versuchs an Kaninchen führen (3). Dennoch starben in der EU auch im Jahr 2022 noch über 19.000 Tiere – überwiegend Kaninchen aber auch Mäuse – für Pyrogentests, davon über 1.000 in Deutschland.
Das Beispiel des Pyrogentests belegt, dass zur konsequenten Nutzung vorhandener tierversuchsfreier Methoden Veränderungen der Vorschriften erforderlich sind. Ohne diesen Druck hält sich der Status Quo und viele Tiere sterben trotz vorhandener und durch die Behörden akzeptierter tierfreier Verfahren in veralteten und unnötigen Versuchen. Dies zeigt auch das Beispiel der Routineproduktion von Antikörpern: Hier starben über 230.000 Tiere - trotz vorhandener tierfreier Verfahren (4) – was im Vergleich zum Jahr 2021 einen deutlichen Anstieg um 64 % bedeutet. Besonders erschütternd ist dabei, dass 49.309 Mäuse in dem besonders grausamen Maus-Aszites Verfahren (4) eingesetzt wurden – fast 34 % mehr als im Vorjahr.
Die Zahlen zeigen einen - abgesehen von Schwankungen - gleichbleibend hohen Verbrauch an Tieren. Insbesondere die Verwendung von Tieren in Versuchen, für die es bereits durch die Behörden akzeptierte tierfreie Methoden gibt, ist erschütternd. „Es ist an der Zeit, dass der im Tierschutzgesetz verankerte Grundsatz, dass Tierversuche nur durchgeführt werden dürfen, wenn es keine tierfreien Verfahren gibt, endlich konsequent umgesetzt wird. Dies wäre ein erster sinnvoller und einfach umzusetzender Schritt auf dem Weg zur endgültigen Abschaffung aller Tierversuche“, resümiert die Expertin.
Weitere Infos
Europäische Kommission: EU-Tierversuchsstatistik >>
Ärzte gegen Tierversuche: Tierversuchsstatistik Deutschland >>
Quellen
- Summary Report on the statistics on the use of animals for scientific purposes in the Member States of the European Union and Norway in 2022, Europäische Kommission, 19.07.2024
- Affenhirnforschung – Großes Leid für Affen, kein Nutzen für Menschen, Ärzte gegen Tierversuche, 15.08.2023
- Endlich: Ende des Kaninchen-Pyrogentests in Sicht, Pressemitteilung von Ärzte gegen Tierversuche vom 16.07.2024
- Antikörper: Die Zukunft ist tierleidfrei, Ärzte gegen Tierversuche, 16.06.2022