Präzisere Vorhersagen für sichere Medikamente
- Pressemitteilung
Innovative Lebermodelle sind Tierversuchen überlegen
Ein Workshop an der Royal Society in London beschäftigte sich mit der Untersuchung der Lebertoxizität in der Medikamentenentwicklung. Dabei wurde betont, dass Tierversuche eine Schädigung der Leber nicht zuverlässig vorhersagen können. Im Gegensatz dazu liefern komplexe In-vitro-Modelle (CIVMs) wie Organoide oder Leber-Chips deutlich genauere Ergebnisse. Die nun veröffentlichten Ergebnisse des Workshops unterstreichen die Forderung des bundesweiten Vereins Ärzte gegen Tierversuche nach einer konsequenten Nutzung tierversuchsfreier Methoden. Dadurch können nicht nur Tierversuche vermieden, sondern auch die Sicherheit von Patienten erhöht werden.
Die Leber kann durch Medikamente geschädigt werden, was als drug-induced liver injury (DILI) bezeichnet wird. Diese Nebenwirkung reicht von leichten Beschwerden wie Übelkeit bis hin zu lebensbedrohlichem Leberversagen. Zahlreiche Medikamente, darunter Schmerzmittel wie Paracetamol oder Antibiotika, bergen ein Risiko für DILI. Zudem sind Leberschäden eine der häufigsten Ursachen, warum neue Medikamente nicht zugelassen oder später vom Markt genommen werden.
Traditionell werden Leberschäden mit Tierversuchen untersucht. Die Autoren der Veröffentlichung heben hervor, dass der Stoffwechsel von Tieren sich jedoch grundlegend vom menschlichen unterscheidet. Das führt dazu, dass die Ergebnisse von Tierversuchen nicht auf den Menschen übertragbar sind. Untersuchungen zeigen, dass nur 33 % der für Menschen lebertoxischen Substanzen auch bei Ratten und nur 27 % bei Hunden ebenfalls eine Leberschädigung hervorrufen, heißt es in der Publikation.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass komplexe In-vitro-Modelle dagegen die menschliche Leber realitätsnah nachbilden können. Dazu zählen 3D-Zellkulturen wie Organoide sowie Organ-on-a-Chip-Technologien, die menschliche Leberzellen in mikrofluidischen Systemen kultivieren. Diese Leber-Chips simulieren Blutfluss und Sauerstoffversorgung der Leber, wodurch Medikamente unter realistischen Bedingungen getestet werden können. „Tierversuchsfreie Methoden sind Tierversuchen deutlich überlegen. Durch eine bessere Vorhersagekraft sind sie dafür geeignet, Medikamente sicherer zu machen und Nebenwirkungen zu vermeiden“, betont Dr. Johanna Walter, wissenschaftliche Referentin bei Ärzte gegen Tierversuche.
So werden in dem Artikel Vergleichsstudien genannt, die zeigen, dass komplexe In-vitro-Modelle (englisch: complex in vitro models, CIVMs) eine wesentlich bessere Vorhersagekraft aufweisen als Tierversuche. Besonders vielversprechend ist die Leber-Chip-Technologie der US-amerikanischen Firma Emulate mit einer Empfindlichkeit von 87 % und einer Spezifität von 100 %. Das bedeutet, dass 87 % der tatsächlich leberschädigenden Substanzen korrekt als toxisch erkannt wurden - darunter auch solche, die in Tierversuchen fälschlicherweise als nicht schädlich klassifiziert wurden. Nicht-toxische Substanzen werden dagegen zuverlässig als sicher eingestuft.
Neben dem besseren Schutz der menschlichen Gesundheit bieten CIVMs auch wirtschaftliche Vorteile, die in der Veröffentlichung erläutert werden. Da lebertoxische Arzneimittelkandidaten früher erkannt und aus dem Entwicklungsprozess aussortiert werden können, können teure Fehlentwicklungen vermieden werden.
„Wir stehen an einem Wendepunkt in der Medikamentenentwicklung. Tierversuchsfreie Methoden bieten uns die Möglichkeit, sicherere Medikamente schneller und kosteneffizienter zu entwickeln“, so Walter. Ärzte gegen Tierversuche fordert die Umstellung der Medikamententestung – weg von nicht aussagekräftigen Tierversuchen und hin zu humanrelevanten Methoden. Um dies zu erreichen, sind eine stärkere Förderung tierversuchsfreier Methoden und eine engere Zusammenarbeit zwischen Regulierungsbehörden, Industrie und Wissenschaft erforderlich.