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Positive Trends, aber noch immer leiden zu viele Tiere

Das Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R) hat die Tierversuchszahlen für das Jahr 2023 veröffentlicht. Trotz eines leichten Rückgangs in der Gesamtzahl der erfassten Tiere bleibt die Zahl erschreckend hoch. Für den bundesweit tätigen Verein Ärzte gegen Tierversuche (ÄgT) sind die neuen Daten ein erneuter Weckruf: Die Forschung in Deutschland muss endlich einen Paradigmenwechsel hin zu tierversuchsfreien, menschenrelevanten Methoden vollziehen.

Mit insgesamt 3.501.693 erfassten Tieren, darunter 1.456.562 Tiere, die direkt in Versuchen eingesetzt wurden, zeigt sich ein leichter Rückgang gegenüber dem Vorjahr. Besonders die Zahl der sogenannten Überschusstiere – Tiere, die gezüchtet, aber nicht verwendet und aus wirtschaftlichen Gründen getötet wurden – ist deutlich gesunken: um 22 % auf ca. 1,38 Millionen. Im Vorjahr wurde bereits eine Reduktion von 31 % erreicht. Erste Interpretationen sprechen von einer optimierten Versuchsplanung – aber für ÄgT ist fraglich, wie eine so enorme Verringerung in so kurzer Zeit effektiv erreicht werden konnte. Zudem würde es die Frage aufwerfen, wie ernsthaft vorher mit diesem Problem umgegangen wurde.

Wie auch in den Jahren davor, werden mit 1.062.632 Tieren (73 %) Mäuse am häufigsten in Versuchen verbraucht. Fische sind mit 161.713 (11,1 %) die zweithäufigste Tierart, gefolgt von Ratten mit 102.731. Es werden aber auch nach wie vor Kaninchen (67.524), Vögel (20.521), Schweine (9.643), Meerschweinchen (7.863), Hunde (2.550), Affen (1.676), Katzen (544) und andere Tierarten verwendet. Die genannten Zahlen beziehen sich auf in Tierversuchen „verwendete“ Tiere.

Ein wesentliches Problem der aktuellen Statistik ist die weiterhin fehlende Transparenz. Während Tierschutzorganisationen die gesamte Zahl der Tiere – einschließlich der Überschusstiere und der für Organentnahmen getöteten Tiere – betrachten, heben Behörden bevorzugt die Zahl der in Versuchen eingesetzten Tiere hervor. Dadurch entsteht der Eindruck eines deutlicheren Rückgangs, als es sich aus der Gesamtbetrachtung der Zahlen ergibt. Hinzu kommt, dass Tiere, die während des Transports oder in Zuchtbetrieben versterben, sowie die meisten wirbellosen Tiere weiterhin gar nicht erfasst werden.

Während die Belastung der Tiere in Versuchen leicht zurückgegangen ist, erlitten 2023 immer noch über 50.000 Tiere schweres Leid. Eine Auswertung des Ärztevereins zeigt allerdings, dass das Leid der Tiere oft heruntergespielt wird und selbst sehr leidvolle Versuche als mittel oder gering belastend eingestuft werden. Zudem machen Versuche für die zweckfreie Grundlagenforschung weiterhin den größten Anteil aus: 852.209 Tiere (58,5 %) wurden allein in diesem Bereich verwendet – eine Zunahme um 3 % im Vergleich zum Vorjahr.

Der Rückgang der Anzahl der in Versuchen verwendeten Affen ist gesunken, von 2.267 (2022) auf 1.676. Verglichen werden seitens der offiziellen Tierversuchsstatistik des Bf3R jedoch andere Zahlen, und zwar die aus 2018: Hier gab es mit 3.324 einen ungewöhnlichen Höchststand von in Tierversuchen verwendeten Affen. Diese als Referenz genommen, ergeben einen geschönten Rückgang von 49 % an verwendeten Affen. Doch auch dies ist wenig aussagekräftig, denn gerade in diesem Bereich schwanken die Zahlen über die Jahre enorm.

Erfreulich ist die langsame, aber stetige Verbreitung tierversuchsfreier Methoden in der regulatorischen Forschung, die natürlich auch einen Anteil hat an der Reduktion der Tierversuchszahlen. Technologien wie Organchips, Zellkulturen und computergestützte Modelle gewinnen an Bedeutung und bieten vielversprechende sogenannte Alternativen. Dennoch fehlen verbindliche Fördermaßgaben und klare Vorgaben, um diese Methoden konsequent weiterzuentwickeln und einzusetzen. Hier bleibt ein hohes Potenzial ungenutzt.

„Die aktuellen Zahlen sind ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber bei weitem nicht genug. Es ist an der Zeit, Tierversuche endlich als Auslaufmodell zu begreifen und stattdessen innovative, ethische und wissenschaftlich überlegene Methoden zu priorisieren“, betont Dr. Melanie Seiler, Primatologin und ÄgT-Geschäftsführerin Öffentlichkeitsarbeit.