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15.08.2005

In der Folge veröffentlichte der Bund der Steuerzahler in der März-Ausgabe 2006 seiner Zeitschrift »Der Steuerzahler« einen ganzseitigen Artikel.
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Offener Brief

An den
Bund der Steuerzahler
Französische Straße 9-12
10117 Berlin

Braunschweig, 15. August 2005

Sehr geehrte Damen und Herren,

Tierversuche sind eine Steuergeldverschwendung ungeheuren Ausmaßes. Die genaue Höhe der Summen öffentlicher Gelder, die Jahr für Jahr in die tierexperimentelle Forschung fließen, lässt sich nicht ermitteln. Einige Beispiele von einzelnen Bauprojekten sollen jedoch die Dimensionen verdeutlichen, um die es hier geht: neue Tierversuchslaboratorien entstehen derzeit unter anderem in Würzburg (31 Mio. Euro), Mainz (29 Mio. Euro), Erlangen (25 Mio. Euro), Jena (25 Mio. Euro), Freiburg (8 Mio. Euro), Mannheim (8 Mio. Euro).

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert tierexperimentelle Forschung im großen Stil. Ihr Etat von 1,32 Milliarden Euro im Jahr 2003 stammt zu 99% von Bund und Ländern. Für die Forschungsbereiche Biologie und Medizin wurden 2003 rund 442,1 Millionen Euro eingesetzt. Der Anteil der tierexperimentellen Forschung wird nicht veröffentlicht. Die DFG ist jedoch bei vielen Tierversuchen als Förderer genannt.

Diesen enormen Investitionen steht ein mehr als fragwürdiger Nutzen von Tierversuchen gegenüber. Vor allem im Bereich der so genannten Zivilisationskrankheiten, wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Rheuma, Diabetes usw. ist das Ergebnis jahrzehntelanger intensivster Forschung mehr als dürftig. Die immer wieder angekündigten Durchbrüche bei der Bekämpfung dieser Krankheiten, aber auch bei AIDS, Parkinson und Alzheimer treten nicht ein. Bei Versuchstieren wurden Krebs und andere Geißeln der Menschheit schon unzählige Male erfolgreich besiegt, doch beim Patienten erwiesen sich die unter immensem Aufwand entwickelten neuen Behandlungsmethoden als weitgehend unwirksam. Als Beispiel sei die Anfang der 90er Jahre als großer Durchbruch in der Krebsforschung gefeierte Krebsmaus genannt. Forschern war es gelungen, ein menschliches Krebs-Gen in das Erbgut von Mäusen zu schleusen. Doch auch 15 Jahren später lässt der erhoffte Erfolg immer noch auf sich warten.Zweifelhafter Nutzen auf der einen, erhebliche Risiken auf der anderen Seite: Tierversuche machen unsere Arzneimittel und Chemikalien nicht sicher. Lipobay und Vioxx sind nur die jüngsten Beispiele einer langen Liste von Medikamenten, die im Tierversuch für sicher befunden wurden, beim menschlichen Patienten aber gravierende, oft sogar tödliche Nebenwirkungen zeigten.

Bei der vorwiegend aus öffentlichen Geldern finanzierten Grundlagenforschung der Universitäten, Max-Planck-Institute und anderer staatlicher Einrichtungen geht es üblicherweise nicht darum, Therapien für menschliche Krankheiten zu entwickeln. Ein möglicher Nutzen für den Menschen in ferner Zukunft wird zwar gern zur Rechtfertigung von Tierversuchen in Aussicht gestellt, tatsächlich steht jedoch die Karriere an erster Stelle der Forschermotivation. So wird die Qualität der Forschung und damit die Vergabe von Fördergeldern nicht danach bemessen, wie vielen Menschen geholfen werden konnte, sondern nach der Anzahl der Publikationen in renommierten Fachzeitschriften. Überholte Denkmuster und veraltete Dogmen sind weitere Gründe, dass in der Grundlagenforschung Tierversuche immer noch durchgeführt werden. Viele Wissenschaftler betreiben - subventioniert durch unsere Steuergelder - seit Jahrzehnten jahrein jahraus die gleiche Forschung. Als Beispiel sei hier die Hirnforschung von Prof. Uwe Jürgens vom Deutschen Primatenzentrum genannt. Er untersucht seit Jahrzehnten die Steuerung der Lautäußerungen von Affen, indem er den Tieren Stromstöße in bestimmte Bereiche des Gehirns verabreicht. Dass bei dieser Forschung jemals etwas Sinnvolles für den Menschen herauskommt, ist so gut wie ausgeschlossen.

Die grundgesetzlich garantierte Forschungsfreiheit lässt zu, dass diese Wissenschaftler weitgehend unbehelligt von Behörden und von der Öffentlichkeit unsere Steuergelder sinnlos vergeuden. Die Genehmigungsverfahren für Tierversuche stellen nicht viel mehr als eine bürokratische Hürde dar. Zwar wird für die Genehmigung eine Abwägung zwischen ethischer Vertretbarkeit und möglichem Nutzen verlangt, doch ist niemand in der Lage einen in ferner Zukunft in Aussicht gestellten möglichen Nutzen für den Menschen jemals zu überprüfen.

Dass die Utopie eines Nutzens solcher Tierversuche einer Überprüfung nicht standhalten würde, bewies eine wissenschaftliche Studie, bei der die Ergebnisse von 51 von einer bayerischen Genehmigungsbehörde genehmigten Tierversuchen verfolgt wurden. Selbst zwölf Jahre später hatte kein einziges dieser Experimente zu einer Therapie beim Menschen geführt.

Speziell möchte ich auf zwei tierexperimentelle Studien eingehen, bei denen die Verschwendung öffentlicher Gelder besonders eklatant ist. In Zusammenhang mit diesen beiden Tierversuchen ist ein drittes Experiment zum gleichen Themenkomplex in Planung. Wir haben hier den seltenen Fall, dass wir von einem Tierversuch erfahren, bevor er durchgeführt wird. Wir hoffen dieses Experiment mit Ihrer Hilfe verhindern zu können.

Es geht um die Erforschung der Risiken von elektromagnetischer Strahlung, wie sie z.B. beim Mobilfunk auftritt. Hier soll nicht die Wirksamkeit und Unschädlichkeit von pharmazeutischen Produkten getestet werden, bevor diese mit dem Menschen in Berührung kommen, sondern es geht um etwas, das beim Menschen schon seit langem in Benutzung ist.

An der Internationalen Universität Bremen wurden im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenforschung Versuche an Mäusen zur Frage der Risiken hochfrequenter Strahlung, wie sie bei Handys auftritt, durchgeführt. Solche Versuche sind nicht nur grausam und ethisch nicht zu rechtfertigen, sie sind auch vollkommen irrelevant, wenn es darum geht, mögliche Gefahren durch Mobilfunkstrahlung für den Menschen zu ermitteln.

Beispiel 1:
Es wurden Mäuse verwendet, die durch eine gentechnologische Veränderung im Alter von einem Jahr an einem Lymphom (Krebs des lymphatischen Gewebes, z.B. Lymphknoten) erkranken. Die eine Hälfte der Mäuse wurde in ihren Käfigen rund zehn Monate lang einer kontinuierlichen Handystrahlung (900 MHz) ausgesetzt. Die andere Hälfte wurde nicht bestrahlt. Alle Tiere, ob bestrahlt oder nicht, litten bald an Krebs, sie hatten gesträubtes Fell, verloren an Gewicht und bekamen Atemnot, bis ihnen die Augen hervortraten. Diese Symptome waren nicht durch die Bestrahlung bedingt, sondern traten aufgrund der Genmanipulation auf. Insgesamt 320 Mäuse mussten für die Erkenntnis leiden und sterben, dass langfristige Handystrahlung bei Mäusen offensichtlich keine erhöhte Krebsrate hervorruft. Es drängt sich die Frage auf, wie realitätsnah dieser Versuch ist. Wie viele der weltweit 1,6 Milliarden Handynutzer werden wohl fast ihr ganzes Leben lang Tag und Nacht ihr Handy am Ohr haben? Und bei wie vielen von ihnen ist durch eine gentechnologische Manipulation eine Krebserkrankung vorprogrammiert?

Sehr viel sinnvoller als Tierversuche sind Bevölkerungsstudien. Dabei können auch Gesichtspunkte in die Untersuchung einbezogen werden, die im Tierversuch grundsätzlich nicht zu erfassen sind. So können schließlich Mäuse kaum Auskunft darüber geben, ob sie unter Kopfschmerzen, Übelkeit oder Nackenschmerzen leiden.

Beispiel 2:
In dieser tierexperimentellen Studie sollten Ergebnisse aus epidemiologischen Untersuchungen nur nachvollzogen werden. Für das gehäufte Vorkommen von Leukämie und anderen Krebserkrankungen bei Menschen, die in der Nähe von Hochspannungsleitungen leben, gibt es bereits handfeste Beweise. Die Experimente sollten die in zahlreichen Populationsstudien festgestellten Risiken im Tierversuch nur nachvollziehen. Bei den 480 Mäusen ergab sich jedoch nach 38-wöchiger Dauerbestrahlung mit 50 Hz-Feldern keine erhöhte Krebsrate. Die beim Menschen gefundenen Hinweise auf ein erhöhtes Krebsrisiko durch Hochspannungsleitungen konnten im Tierversuch also nicht bestätigt werden. Werden die am Menschen gewonnenen Erkenntnisse jetzt verworfen? Sicherlich nicht. Hätte man auf die Tierversuche dann nicht gleich verzichten können? 480 leidensfähigen Mitgeschöpfen wäre ein qualvoller Tod erspart geblieben.

Was geschehen ist, lässt sich nicht rückgängig machen. Es steht aber noch eine weitere Studie im Rahmen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms aus. Es soll im Tierversuch festgestellt werden, ob Kinder und Jugendliche auf hochfrequente elektromagnetische Felder empfindlicher reagieren als Erwachsene.

Wir bitten Sie, sich dafür einzusetzen, dass diese Fragestellung nicht durch Tierversuche, sondern durch Bevölkerungsstudien geklärt wird. Vom ethischen Aspekt abgesehen, handelt es sich hier schließlich um eine maßlose Verschwendung von Steuergeldern.

In Erwartung Ihrer Antwort verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen

Dr. Corina Gericke
Ärzte gegen Tierversuche e.V.