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Seit 2013 ist gemäß EU-Tierversuchsrichtlinie vorgeschrieben, dass manche Tierversuche nach Abschluss einer rückblickenden Bewertung unterzogen werden. Darunter fallen vor allem Versuche an Affen sowie schwer belastende Tierversuche. Darüber hinaus kann die Behörde für andere Versuchsvorhaben eine rückblickende Bewertung vornehmen. Wir haben recherchiert und kommen zu ernüchternden Ergebnissen.

Unsere Erkenntnisse basieren auf unseren aktuellen Anfragen an die zuständigen Genehmigungsbehörden der Bundesländer und weiteren Recherchen.

Daraus ergaben sich Erkenntnisse wie z. B., dass am MaxPlanck-Institut für biologische Kybernetik Tübingen bislang 12 rückblickende Bewertungen zu Forschungsprojekten unter Verwendung von Primaten durchgeführt wurden. Diese ergaben, dass es bei 73 von insgesamt 127 Affen zu Komplikationen kam (ca. 57 %), bei einigen Tieren zu schweren. Am Versuchsende erlitten manche Tiere erhebliche Entzündungen im Bereich der Kopfimplantate. Aus Sicht des Regierungspräsidiums Tübingen sollten derartige Versuche künftig in den Schweregrad „schwer“ eingestuft werden.1, 2, 3

Keine statistische Erfassung, kaum Konsequenzen

Wenngleich manche Behörden recht ausführlich antworten und ihrer Aufgabe der rückblickenden Überprüfung von Tierversuchen im Sinne der gesetzlichen Vorgabe nachkommen, wird deutlich, dass sich letztlich keine nennenswerten Konsequenzen aus den Bewertungen ergeben und keine statistische Erfassung erfolgt. Zwar gab es vereinzelt korrigierte Bewertungen des Schweregrads. Hinsichtlich des Nutzens (z. B. medizinischer Fortschritt) der überprüften Tierversuche schwiegen sich jedoch die meisten Behörden aus und die, die den Nutzen als erfüllt angaben, konkretisierten diesen nicht.

Das Instrument der rückblickenden Bewertung bringt nicht den von Tierschutzseite erhofften Nutzen, dass beispielsweise besonders leidvolle Tierversuche abgelehnt werden. Ein großes Manko ist zudem die Tatsache, dass die rückblickende Bewertung von Tierversuchen nur für solche mit dem Schweregrad „schwer“ und mit Affen angewandt werden muss. Obendrein belegen Studien, dass der Schweregrad der Versuche von den Antragstellern oft zu niedrig eingestuft wird und in vielen Fällen so eine eigentlich erforderliche rückblickende Bewertung umgangen werden dürfte.4,5

Bislang kein Tierversuch verhindert

Bislang hat die retrospektive Bewertung nicht zur Verhinderung auch nur eines einzigen Tierversuchs geführt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dieses Instrument durchaus dazu beitragen kann, das Leid der Tiere und den vermeintlichen Nutzen des Tierversuchs zu überprüfen. Möglicherweise führt dies auf Basis des seit 2021 verbesserten Tierschutzgesetzes künftig in manchen Fällen zu einer Ablehnung eines ähnlichen Versuchs, da bei Versuchen mit schwerem Leid der Nutzen besonders hoch sein muss und andernfalls die rechtliche Grundlage für eine Genehmigung fehlt.

Dipl.-Biol. Silke Strittmatter

Quellen

  1. Drucksachen 16/2844 und 16/3610. 26.2.2018 (Baden-Württemberg)
  2. Drucksachen 16/3610 und 16/5689. 7.2.2019 (Baden-Württemberg)
  3. Drucksache 16/7858. 10.3.2020 (Baden-Württemberg)
  4. Strittmatter S.: Undervaluation of suffering of experimental animals in Germany. ALTEX 2017: 34(3);435-438
  5. Lindl T et al: Evaluation von genehmigten tierexperimentellen Versuchsvorhaben in Bezug auf das Forschungsziel, den wissenschaftlichen Nutzen und die medizinische Relevanz. Altex 2001: 18 (3);171-178