Sprache auswählen

To Homepage

13. Januar 2016

Ein in der Fachzeitschrift Drug Discovery Today erschienener Artikel zeigt die Schwächen der tierexperimentellen Asthma-Forschung auf. So stützt sich auch dieser Forschungszweig stark auf Tierversuche, dennoch – oder gerade deshalb - haben es nur zwei neue Klassen von Asthmatherapeutika in den letzten 50 Jahren von der Forschung in die Klinik geschafft. In den vergangenen 10 Jahren investierte allein das „UK Medical Research Council“ 35 Millionen Pfund. Trotz internationalen Bemühungen ist die Pathophysiologie von Asthma noch immer verhältnismäßig schlecht verstanden. Dies hängt zum Teil mit den Beschränkungen der momentan erhältlichen Modelle zusammen. Heute leiden ca. 300 Millionen Menschen weltweit an Asthma und dies ist die häufigste chronische Erkrankung in Kindern. Schätzungsweise einer von 250 Todesfällen weltweit ist auf Asthma zurückzuführen und die Zahl nimmt weiter zu.

Zahlreiche Tierarten werden in der Asthma-Forschung eingesetzt. Vor allem Mäuse, aber auch Ratten, Hunde, Meerschweinchen, Katzen, Schafe und Primaten. Die Autorin stellt zusammenfassend Asthma-Forschung an diversen Tierarten dar und führt aus, welche beschränkte Aussagekraft und welche Nachteile diese Modelle aufweisen. Sie warnt davor, die Daten aus Tierversuchen auf den menschlichen Patienten zu übertragen. Einige von der Autorin angeführte Kritikpunkte am Asthma-„Tiermodell“ sind:

  • Tiere, mit Ausnahme von Katzen und Pferden, bei denen eine sehr ähnliche Erkrankung vorkommt, entwickeln nicht spontan Asthma, wie dies beim Menschen der Fall ist. Die pathophysiologischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Tierarten und dem Menschen sind groß, so dass eine Übertragung unzuverlässig ist.
  • Das sogenannte Ovalbumin-Protokoll, bei dem ein Eiweiß in die Bauchhöhle des Tieres injiziert wird, um das Immunsystem herauszufordern, ist eine „Standard-Methode“ an Mäusen, Ratten und Meerschweinchen. Abhängig vom verabreichten Hilfsstoff kann die Reaktion stark variieren und insofern ist die Übertragbarkeit auf den Menschen noch weniger gegeben. Ein Ansatz für ein Modell ohne Hilfsstoffe ist mäuselinienspezifisch.
  • Die Relevanz des „Maus-Modells“ zur Erforschung von Asthma im Kindesalter ist fraglich, da sich die Physiologie des Immunsystems bei der Geburt zwischen Maus und Mensch wesentlich unterscheidet. Bei Mäusen dauert die Entwicklung zum Erwachsenenstadium Wochen, beim Menschen Jahre.
  • Die am häufigsten verwendeten Mäuselinien unterscheiden sich deutlich hinsichtlich eines bestimmten Entzündungsbotenstoffes (Zytokin) und Reaktion auf bestimmte Stoffe.
  • Bei BALB/c und C57BL/6 Mäusen sind die Unterschiede derart groß, dass die Wahl der Mäusezuchtlinie wesentlich das Ergebnis beeinflusst.
  • Primaten zeigen weder episodisches Niesen, noch Verengung der Bronchien.
  • Stresshormone beeinflussen die allergischen Reaktionen und Th2-Antworten bei Primaten. (Th2: Eine Untergruppe der T-Helferzellen, also Zellen, welche bei der Erkennung von Allergenen bestimmend sind.)
  • Den meisten „Mausmodellen“ fehlen die Charakteristika einer chronischen Asthmaerkrankung, da sie sich auf die akute Situation konzentrieren.
  • Bei Mäusen, Ratten und Meerschweinchen konnte gezeigt werden, dass ein allergener Stoff eine Reaktion hervorrufen kann, eine wiederholte Exposition mit dem Stoff aber eher zu Toleranz statt zu einer chronischen Situation führt.
  • Viele Wirkstoffe, welche beim Schaf erfolgreich waren, waren kaum wirksam beim Menschen.
  • Während die Asthmaerkrankung beim Menschen von vielerlei Faktoren abhängt, insbesondere von Bedingungen in utero (in der Gebärmutter), arbeiten „Tiermodelle“ hauptsächlich mit erwachsenen Tieren. Unterschiede im Immunsystem von Kindern und Erwachsenen werden im „Tiermodell“ vernachlässigt.
  • Kein „Tiermodell“ kann die multifaktorielle (durch viele Faktoren beeinflusste) Entwicklung der menschlichen Erkrankung wiedergeben.
  • Die Reaktion auf Zytokine (Entzündungsbotenstoffe) unterscheidet sich zwischen Maus und Mensch. IL-3 ruft bei Mäusen eine größere Reaktion hervor als beim Menschen. Ebenso gibt es Unterschiede bei der Regulation und Produktion von TGF-β.
  • Mit genmanipulierten Mäusen wurden einige therapeutische Ziele entwickelt, deren Wirksamkeit jedoch beim Menschen nicht gegeben war. Beim transgenen Tier verursachte Erkrankungen der Luftwege weisen mehr Ähnlichkeit mit einer chronischen Lungenerkrankung als mit Asthma auf.
  • Viele „(Tier-)Modelle“ weisen Charakteristika auf, welche bei Patienten mit Asthma nicht auftreten, wie beispielsweise eine Entzündung des Lungenstützgewebes und Gefäßentzündung (in Mäusen).
  • Hunde zeigen keine Asthma-ähnlichen Reaktionen in den Luftwegen, was hauptsächlich auf die einzigartige Luftwegsanatomie von Hunden zurückzuführen ist.
  • Ein Großteil der „Modell“-Tiere sind Vierbeiner, was bedeutet, dass die Gravitation und der Brustkorb anderen Druck auf die Lunge ausüben.
  • Die Luftwegsverzweigung und deren Anatomie variieren stark zwischen den Arten und können die Ablagerung von Aerosol (Schwebeteilchen in der Luft) beeinflussen.
  • Mäuse sind obligate Nasenatmer, d.h., sie können nicht durch den Mund atmen.
  • Forschungsmethoden üben Stress auf die Tiere aus, was wiederum Einfluss auf Physiologie und Verhalten hat.
  • Mit Bezug auf Lungenfunktion stellt die Größe der unterschiedlichen Tierarten im Vergleich untereinander und im Vergleich zum Menschen ein Problem dar.
  • Die Messung der Lungenfunktion in kleineren Tierarten ist technisch eine Herausforderung.
  • Die genauesten Methoden sind zugleich die invasivsten und damit auch jene, welche am weitesten von der natürlichen Atemumgebung sind. Umgekehrt müssen bei der Beobachtung der natürlichen Atmung Abstriche in der Präzision hingenommen werden. Invasive Methoden, welche Anästhesie, Einführung eines Schlauches über den Kehlkopf oder durch einen Schnitt in der Luftröhre sowie mechanische Beatmung erfordern, können nur sehr schwer auf die menschliche Situation übertragen werden.
  • Anästhesie hat Einfluss auf Asthma-Modelle an Mäusen (auf Luftwege, Lungenumgebung und Lungendruck).

Quelle

Buckland, Gemma L.: Harnessing opportunities in non-animal asthma research for a 21st-century science. Drug Discovery Today 2011: 16 (21-22); 914-927