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24. März 2016

…und wie man sie überwinden kann

Archibald et al. geben einen Überblick über die Gründe, warum trotz bereits vorhandener tierversuchsfreier Methoden Tierversuche weiterhin durchgeführt werden und als Standard gelten. Dabei spielen Schwierigkeiten bei der Weiterentwicklung tierversuchsfreier Methoden eine Rolle, vor allem aber Hindernisse bei der Validierung und der rechtlichen Einordnung neuer Methoden.

Es gilt als unethisch, Menschen für Versuche zu „benutzen“, um neue Medikamente auf ihre Wirksamkeit und Sicherheit zu überprüfen. Doch letztendlich tun wir genau das. Mehr als 90% aller Medikamente, die im Tierversuch als sicher und wirksam eingestuft werden, fallen in den klinischen Studien, d.h. den Studien an gesunden Probanden und Patienten durch, entweder weil sie entgegen der Annahme beim Menschen nicht wirken oder, was schlimmer ist, weil sie beim Menschen Nebenwirkungen hervorrufen, die im Tierversuch nicht auftraten. Da Tierversuche also offensichtlich nicht vorhersagen können, ob und wie ein neues Medikament sich auf den menschlichen Körper auswirkt, werden letztlich unsichere Medikamente am Menschen getestet.

Wir sollten uns darauf konzentrieren, so wenig Schaden wie möglich anzurichten. Eine Möglichkeit ist das sog. Microdoising, bei dem freiwilligen Probanden winzigste Dosen einer Substanz verabreicht werden. Weiterhin stehen sog. in vitro- (z.B. Zellkulturen) und in silico-Methoden (z.B. computerbasierte Organmodelle) zur Verfügung. Solche tierversuchsfreien Methoden können, so die Autoren, zusammen mit wenig riskanten klinischen Studien Tierversuche in Zukunft ersetzen.

Um zu zeigen, welche Tierversuche ungeeignet sind, werden immer wieder Untersuchungen durchgeführt. Systematische Analysen zeigen dass Tierversuche keinen oder einen allenfalls minimalen Einfluss auf die klinische Forschung bei verschiedenen Erkrankungen wie ADHS, Magersucht, Bulimie, Schlaganfall und Schädel-Hirn-Trauma hatten.

Der Validierungsprozess für neue (tierversuchsfreie) Methoden ist lang und aufwendig. Außerdem garantiert eine Validierung noch keine rechtliche Anerkennung der Methode und umgekehrt ist eine Validierung nicht zwangsläufig notwendig, um eine rechtliche Anerkennung zu bekommen. Meist sind die Tierversuche der Goldstandard, dem die neuen Methoden gegenübergestellt werden. Da Tierversuche aber sehr unzuverlässige Ergebnisse liefern und oft mehr Fragen aufwerfen als sie beantworten, ist es fraglich, ob sie als Goldstandard geeignet sind. Der Vergleich einer neuen tierversuchsfreien Methode mit einem unzuverlässigen und ungeeigneten Tierversuch, der selbst niemals validiert worden ist, ist Zeit- und Geldverschwendung. Die Validierung an sich wird von den Autoren nicht in Frage gestellt, nur die Validierungsmethode. Denn es verhindert die Einführung neuer und besserer Testmethoden. Die Autoren fordern: neue Testmethoden, die die alten Methoden übertreffen, sollten diese auch ersetzen. Auch wenn es dadurch nur zu einer partiellen und schrittweisen Verbesserung kommt.

Nach der Validierung kommt eventuell die rechtliche Einordnung. Die meisten Firmen gehen davon aus, dass die Behörden Daten aus Tierversuchen fordern. Doch eigentlich wollen Behörden nur Daten, die ein gewisses Maß an Sicherheit geben, dass eine Substanz keinen Schaden anrichten wird. Die amerikanische FDA akzeptiert auch Daten aus tierversuchsfreien Methoden, jedoch haben sie den Text ihrer Regularien, in dem immer noch Tierversuche gefordert werden, bisher nicht geändert. Wird diese Formulierung also nicht an den neuen Tenor in der FDA angepasst, werden Firmen tierversuchsfreie Methoden weiterhin nicht durchführen bzw. sie maximal als Ergänzung zum Tierversuch einsetzen.

Ein gutes Beispiel ist der Draize-Test, der 1944 entwickelt wurde, um zu testen, ob eine neue Substanz Augen- oder Hautschäden verursacht. Bereits 2005 stellte die FDA fest, dass der Draize-Test nicht länger erforderlich ist, um eine neue Substanz zuzulassen. Trotzdem wurden 24% der 137 Substanzen, die zwischen 2011 und 2014 von der FDA zugelassen wurden, auf Haut- und Augenreizung getestet. In 94% (Hautreizung) bzw. 60% (Augenreizung) der Fälle wurde dazu der Draize-Test genutzt. Besonders schlimm dabei: die meisten der getesteten Substanzen (76%) waren für die systemische Anwendung gedacht und nicht für die äußere. Die Haut- und Augenreizungstests waren demnach völlig unnötig. Trotzdem ergaben sich für die betreffenden Firmen keinerlei negative Konsequenzen. Die Autoren fordern, dass so etwas nicht einfach toleriert wird. Firmen, die weiterhin Tierversuche nutzen, obwohl bessere und sicherere tierversuchsfreie Methoden zur Verfügung stehen, sollten nicht länger geschützt werden.

Quelle

Kathy Archibald, Tamara Drake, Robert Coleman: Barriers to the Uptake of Human-based Test Methods and How to Overcome Them. ATLA 2015: 43; 301-308

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