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25. Februar 2015

Die Autoren einer bereits in 2012 veröffentlichten Studie stellen Tierversuche im Zeitalter der „personalisierten“ Medizin kritisch in Frage und fordern, dass eine auf den Menschen bezogene Forschung im Vordergrund stehen sollte, um Erkenntnisse über menschliche Krankheiten sowie über Risiken bei der Einnahme von Arzneimitteln zu gewinnen. In der personalisierten Medizin soll eine für den Patienten maßgeschneiderte Therapie erfolgen, welche über das spezielle Krankheitsbild hinaus vor allem das individuelle menschliche Erbmaterial (Genom) und dessen Einfluss auf das Wirken von Medikamenten berücksichtigt. Das Verwenden von Tieren als „Modelle“ für die Grundlagenerforschung menschlicher Krankheiten würde die grundlegenden Prinzipien der personalisierten Medizin ignorieren. Das ist die zentrale Aussage der vorliegenden Studie.

Die Wissenschaft sei längst in Kenntnis darüber, dass sogar eineiige Zwillinge signifikante genetische Unterschiede aufweisen. Sogenannte regulatorische Gene und weitere Faktoren sind dafür verantwortlich, dass exakt gleiche Genome ein völlig unterschiedliches Erscheinungsbild der Merkmale eines Organismus (Phänotyp) aufweisen können. Die Autoren folgern daher, dass die Grundsätze für die personalisierte Medizin auf die Grundlagenforschung wie auch die Medikamentenprüfung übertragen werden müssen, um eine für den Menschen relevante Wissenschaft zu betreiben.

Zur Vorhersagekraft medizinischer Forschung

Aussagekräftige wissenschaftliche Analysen sollten eine hohe Wahrscheinlichkeit erreichen, eine möglichst korrekte Antwort im Hinblick auf die jeweilige Fragestellung zu geben. Eine eher zufällige Übereinstimmung sei dabei kein Synonym für die Prognosefähigkeit des durchgeführten Versuchs und somit wenig hilfreich.

Zu Unterschieden innerhalb einer Art

Die personalisierte Medizin basiere auf enormen Unterschieden in Krankheitsverläufen und Arzneimittelantworten zwischen menschlichen Individuen, trotz genetischer Ähnlichkeit. Über 90% der Arzneimittel wirkten nur bei 30-50% der Menschen. Die meisten Wirkstoffe zeigten zudem eine Effektivitätsrate von nur 50% oder weniger. Aufgrund genetischer Vielfältigkeit (Polymorphismen) sei es auch denkbar, dass beispielsweise ein Impfstoff nicht alle Individuen gleichermaßen schützen kann. Es wird angenommen, dass 5-20% der gegen Hepatitis B geimpften Menschen und 2-10% derjenigen, die gegen Masern geimpft wurden, bei einem entsprechenden Erregerkontakt nicht geschützt sind. Für die Zukunft sei es daher denkbar, dass Kinder personalisierte Impfstoffe erhalten werden.

Zu komplexen Systemen

Menschen und Tiere sind Beispiele für komplexe biologische Systeme, was im Umkehrschluss bedeutet, dass es als problematisch anzusehen ist, wenn Ergebnisse aus Medikamentenprüfungen und Krankheitsverläufen z.B. aus Ratten auf andere Systeme wie den Menschen übertragen werden. In jedem komplexen System können kleinste Abweichungen in den Ausgangsbedingungen drastische Unterschiede im Endergebnis erzeugen.

Zu Unterschieden zwischen den Arten

Tiere werden häufig „verwendet“, um die menschliche Antwort auf Medikamente und Krankheiten vorherzusagen. Empirisch gesehen sei das Übertragen von Forschungsergebnissen zwischen den Arten problematisch und die Prognosekraft würde nur eine unzureichende Wahrscheinlichkeit aufweisen. Alle Tiere seien Beispiele komplexer Systeme und wenn sogar die menschliche Population unterschiedliche Reaktionen zwischen den Individuen zeigt, sei es nicht verwunderlich, dass „Tiermodelle“ in ihrer Vorhersage für den Menschen weitgehend fehlschlagen.

Zur Evolution

Unterschiede in den Genen und vor allem der Genregulation erklärten die empirisch beobachtete geringe Wahrscheinlichkeit, dass zwei verschiedene Arten in gleicher Weise auf eine Krankheit oder Wirkstoffe reagieren.

Zur Perspektive für die Zukunft

Die Autoren vertreten die Meinung, dass eine seriöse Wissenschaft zugunsten des Menschen zu einem sofortigen Ende von Tierversuchen führen müsse. Das NIH (nationales Gesundheitsinstitut der USA) wie auch andere Fördermittelorganisationen sollten in Erwägung ziehen, Forschungsgelder für Tierversuche vielmehr für eine auf den Menschen bezogene Forschung zu bewilligen.
Die Erforschung von Krankheiten direkt am Menschen oder menschlichen Geweben, die Entwicklung von unterstützender Software und generell das Verfolgen von grundsätzlichen Prinzipien der personalisierten Medizin seien die Wegweiser für die Zukunft.

Quelle

Ray Greek, Andre Menache and Mark J Rice (2012). Animal models in an age of personalized medicine. Personalized Medicine 2012: 9 (1), 47-64
https://www.futuremedicine.com/doi/pdf/10.2217/pme.11.89