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8. Oktober 2013

Ratten werden bis zur Erschöpfung zum Schwimmen gezwungen und Affenmüttern werden ihre Kinder weggenommen, um beispielsweise die menschliche Depression oder die Auswirkung sozialer Isolation und Entwöhnung zu ergründen. Ein 2012 in der medizinischen Fachzeitschrift Psychiatric Times erschienener Artikel beleuchtet die in der psychiatrischen Forschung durchgeführten Tierversuche und resümiert, dass diese nicht geeignet sind, um psychische Erkrankungen des Menschen zu erforschen.

Viele wesentliche Fortschritte in der psychiatrischen Forschung beruhen auf Zufallsentdeckung oder gezielter Patientenbeobachtung. So wurde 1957 Isoniazid, das erste Antidepressivum, zufällig entdeckt, da es im Rahmen der Tuberkulosetherapie zu Stimmungsverbesserungen der Patienten führte. Dennoch werden seit Mitte des 20. Jahrhunderts sogenannte Tiermodelle konstruiert, die vorgeblich dazu dienen, psychische Erkrankungen des Menschen wie Angstzustände, Depression oder das Aufmerksamkeits-Hyperaktivitäts-Syndrom zu erforschen.

Bislang gibt es nur wenige systematische Untersuchungen, die die am Tier erlangten Ergebnisse mit denen am Menschen vergleichen. Bei Betrachtung dieser kommt der Autor zu der Folgerung, dass das Tiermodell hinsichtlich der Vorhersage für den Menschen sehr schlecht abschneidet.

Der Autor betrachtet die standardmäßig in der tierexperimentellen Psychiatrie durchgeführten Tierversuche mit Blick auf den vorgeblichen Nutzen für den Menschen. Beim forcierten Schwimmtest nach Porsolt muss eine Ratte oder Maus bis zur Erschöpfung schwimmen, was der Erforschung menschlicher Depression dienen soll. Dieser Test wird jeweils mit und ohne Verabreichung eines potentiellen Medikamentes durchgeführt. Zahlreiche Medikamentengruppen wie unter anderem Stimulantien, Antiepileptika, Pentobarbital und Opiate hatten im Tierversuch eine positive Wirkung, beim Menschen jedoch nicht.

Hunde werden als „Modell" für Zwangserkrankungen des Menschen verwendet. Die Tiere leiden aufgrund einer Allergie an Hautentzündungen. Dies führt zu verstärktem Schlecken der Wunden, was als Zwangsstörung interpretiert wird. Während Zwangserkrankungen beim Menschen vielfältige Ursachen haben, liegt bei den Hunden eine Allergie zugrunde, weswegen dem Autor zufolge schon die Versuchskonzeption von Vornherein nutzlos ist.

In Versuchen zwischen 1957 und 1963 wurden Rhesusaffen-Babys von ihren Müttern getrennt und die Auswirkungen von teilweiser oder vollständiger sozialer Isolation beobachtet. Einige der Affen wurden bis zu 15 Jahre in Einzelhaft gehalten. Allerdings ist es nach Aussage des Autors nicht möglich, Gefühle der Wertlosigkeit, übermäßige Schuldgefühle, Unentschlossenheit und Todesgedanken durch Beobachtung bei Affen zu ermitteln.

Von Tierversuchbefürworten wird die Eignung von Tieren als „Modell" für den Menschen oft damit begründet, dass beispielsweise bei Maus und Mensch 97% der Gene übereinstimmen. Die Studie verweist daher auf den wissenschaftlichen Nachweis, dass die jeweils gleichen Gene zu vollkommen unterschiedlichen Merkmalesausprägungen führen können, da das Zusammenspiel der Gene entscheidend ist.

Der Artikel folgert, dass zur Diagnosestellung und Behandlung von psychiatrischen Erkrankungen beim Menschen die Zukunft in einem integrativen Ansatz liegt, bei dem unter anderem nicht invasive Untersuchungstechniken, pharmakologische Untersuchungen wie Pharmako-Magnetoenzephalographie sowie klinische Beobachtung kombiniert werden. Zudem sei es dringend notwendig, insbesondere in der Psychiatrie und Psychologie die Empathie als wesentliche Grundlage und als Gegenmittel gegen das mechanistische Krankheitsbild zu berücksichtigen.

Die Zusammenfassung basiert auf dem Originalartikel und der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Autoren.

Quelle

Andre Menache: Are Animal Models Relevant in Modern Psychiatry. Psychiatric Times 29: 3, 28. Februar 2012 (übersetzt von Dr. med. Alexander Walz, Oberarzt)

Originalartikel zum Herunterladen (englisch) >>