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23. Oktober 2018

- begrenzte Übertragbarkeit auf den Menschen und ein möglicher Weg für die Zukunft

Amerikanische Wissenschaftler vom Physicians Committee for Responsible Medicine, Washington, DC, gehen in einer in der Fachzeitschrift ATLA erschienenen Studie der Frage nach, inwieweit Diabetes Typ 2 im „Tiermodell“ erforscht werden kann und welche human-basierten Forschungsmethoden es gibt.

Weltweit litten 2014 geschätzt 422 Millionen Menschen an Diabetes (90-95 % Typ 2) gegenüber 108 Millionen 1980. Und die Zahl der Erkrankungen steigt weiter an. Deshalb ist es dringend notwendig, das Wissen über die Krankheitsentwicklung zu verbessern und effektive vorbeugende und therapeutische Maßnahmen für diese Erkrankung zu entwickeln, welche von sehr vielen Faktoren wie Genetik, Lebensstil und Umwelt beeinflusst wird. 

Die Limitierung der „Tiermodelle“ bei Typ 2 Diabetes

Die Regulierung des Zuckerhaushaltes erfordert ein komplexes Zusammenspiel zwischen verschiedenen Zelltypen, Geweben und Organen (Gehirn, Leber, Nieren, Skelettmuskulatur, Bauchspeicheldrüse und Fettgewebe). Das ideale Krankheitsmodell sollte die menschlichen Ursachen, Krankheitsentstehung und -ausbruch, Komplikationen und Medikamentenwirkung beinhalten. Kein „Tiermodell“ kann diese Forderungen erfüllen. Denn Tiere unterscheiden sich in allen Bereichen der physiologischen Blutzuckerregulation signifikant vom Menschen, u. a. Zellaufbau der Bauchspeicheldrüse, Insulinsignal, neuronale Kontrolle des Glukosespiegels und Insulinregulation des Glukosetransports. Diese unveränderbaren speziesspezifischen Unterschiede werden weiter durch biologische Variationen (z. B. Alter, Geschlecht, Zuchtlinie) der benutzten Tiere und der Problematik, Diabetes Typ 2 bei diesen Tieren überhaupt auszulösen verkompliziert.

Mit verschiedenen „Tiermodellen“ wurden die beiden Hauptmerkmale der Zuckerkrankheit, Insulinresistenz und Pankreasdysfunktion, ausgiebig untersucht. Trotz des Wissens, das auf die Weise erworben wurde, bleiben viele Details der Krankheitsentstehung beim Menschen im Dunkeln, therapeutische Möglichkeiten sind immer noch sehr begrenzt und eine Heilung hat die Forschung bislang nicht erzielen können.

Am Menschen gewonnene Daten lassen Bedenken an der Übertragbarkeit der Tierversuchsergebnisse in die Klinik aufkommen. Daher ist es wichtig, die Diskrepanz zwischen Grundlagenforschung am Tier und den klinischen Fortschritten, die zur Vorbeugung und Behandlung von Diabetes Typ 2 dringend gebraucht werden, zu erkennen und anzugehen.

Human-basierendes Modell

Aktuelle Publikationen über Diabetes zeigen, dass human-basierende Modelle viel besser geeignet sind, die verschiedenen Aspekte der genetischen, biochemischen und physiologischen menschlichen Glukoseregulation zu untersuchen. So können In–vitro- („im Reagenzglas“) und In-vivo- („im Lebenden“) Modelle genutzt werden, um die Funktionsstörungen im Rahmen einer Diabetes-Typ 2-Erkrankung zu untersuchen.

Grundlage dieser Methoden sind menschliche Zellen. Diese werden aus Stammzellen, Gewebe-/Organproben gewonnen oder entstammen menschlichen Zelllinien. Allerdings sind aktuell nur wenig menschliche Zelllinien erhältlich. Dies muss geändert werden, so dass eine große Auswahl an menschlichen Zelllinien verschiedener Gewebe zu Verfügung steht.

Die gewonnenen Zellen können unter In-Vitro-Bedingungen untersucht oder mit ihnen kann der menschliche Glukosestoffwechsel simuliert werden. Dafür gibt es sowohl 2D-Modelle als auch 3D-Modelle, welche die Zellarchitektur der Organe nachbilden.

Da die genannten Modelle einen tiefgreifenden Einblick in die Krankheitsprozesse auf Zellebene ermöglichen, eignen sie sich für die Grundlagenforschung als auch für vorklinische Studien und Giftigkeitsprüfungen.

Nichtinvasive (ohne Verletzung des Gewebes) und einige minimal-invasive Untersuchungen direkt am Menschen ermöglichen einen Einblick in die humane Glukoseregulation. Diese werde im klinischen Alltag benutzt und sind auch für die Grundlagenforschung bzw. präklinischen Untersuchungen geeignet.

Epidemiologische Studien, d.h. Bevölkerungsstudien, geben Einblick in Risikofaktoren, welche durch den Lebensstil und andere Faktoren (z. B. Genetik, Darmflora) bedingt sind.

All diese Untersuchungen sollten beim Menschen erfolgen, da es zwischen Mensch und Tier große speziesspezifische Unterschiede (auch zu unseren nächsten Verwandten, den Schimpansen) gibt. 

In-silico-Modelle

Computer-basierte Modelle, die mit bereits leicht zugänglichen Datenbanken arbeiten, ermöglichen die Abbildung jeder Ebene der Erkrankung. So lassen sich die verschiedenen Entstehungen, Verlaufsformen und Risikofaktoren des Diabetes Typ 2 untersuchen. Beispielsweise gibt es bereits Untersuchungen bezüglich der Insulin-Resistenz unter verschiedenen Ernährungsbedingungen. 

Fazit

Trotz jahrzehntelanger Forschung, vor allem an Tieren, ist das Wissen über die Mechanismen des Diabetes mellitus inkomplett. Die großen Datenmengen der Tierversuche lassen sich nicht auf den Menschen übertragen. Deshalb führen die präklinischen Erfolge, die in der Diabetesforschung bei Tieren erzielt wurden, nicht automatisch zu präventivem oder therapeutischem Erfolg.

Ein Wechsel zu humanbasierender Forschung sollte das Ziel der weiteren Forschung sein, da sich nur dadurch genaue Information und Therapiemöglichkeiten über diese für den Menschen so wichtige Krankheit gefunden werden können.

Originalartikel

Zeeshan Ali, P. Charukeshi Chandrasekera, John J. Pippin: Animal Research for Type 2 Diabetes Mellitus, Its Limited Translation for Clinical Benefit, and the Way Forward. ATLA 2018; 46: 13-22