Deutschland vereitelt Ziele der EU-Tierversuchsrichtlinie
- Pressemitteilung
Juristisches Gutachten attestiert Verstöße im Tierversuchsrecht
Ein aktuell von der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vorgelegtes Gutachten offenbart gravierende Verstöße Deutschlands bei der Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie. Die bundesweiten Vereine Ärzte gegen Tierversuche und Bund gegen Missbrauch der Tiere sehen darin einen weiteren Beleg dafür, dass die Bundesregierung den im Grundgesetz verankerten Tierschutz zugunsten der Tierversuchslobby missachtet.
Das Gutachten, erstellt von Dr. Christoph Maisack, einem der erfahrensten Tierschutzjuristen Deutschlands, erläutert 18 Verstöße. Beispielsweise hat die Bundesregierung Tierversuche zur Aus-, Fort- und Weiterbildung nur einer Anzeigepflicht unterstellt, anstatt wie von der EU gefordert einer Genehmigungspflicht. Im Unterschied zum Genehmigungsverfahren, bei dem mit einem Tierversuch erst begonnen werden darf, wenn die Behörde diesen zulässt, kann bei einem bloß angezeigten Versuch bereits nach 20 Tagen begonnen werden, wenn die Behörde bis dahin keine Prüfung vorgenommen hat. Aufgrund der Unterbesetzung der meisten Genehmigungsbehörden ist dies fatal und führt teilweise dazu, dass mit tierschutzwidrigen Versuchen begonnen wird, heißt es in dem Gutachten.
Weiter sieht das Gutachten eine richtlinienwidrige Einschränkung der behördlichen Prüfkompetenz. Eine Behörde müsse so gut wie jedes Experiment genehmigen, da sie nur eine Plausibilitätskontrolle vornehmen darf. Damit werden die Vorgaben der EU-Tierversuchsrichtlinie, die eine unabhängige Schaden-Nutzen-Analyse durch die Behörden vorsehen, in Deutschland nicht umgesetzt. Vielmehr müssen die Behörden ein Versuchsvorhaben genehmigen, wenn lediglich der Antragsteller selbst die Unerlässlichkeit und ethische Vertretbarkeit (Schaden-Nutzen-Abwägung) „wissenschaftlich begründet“.
Was die Durchführung von ganz besonders leidvollen Tierversuchen angeht, will die EU, dass diese grundsätzlich untersagt bzw. auf außergewöhnliche Umstände beschränkt sind und nur in besonderen Einzelfällen vorläufig genehmigt werden dürfen. Eine solche Beschränkung gibt es in Deutschland nicht. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass dadurch das Ziel der Richtlinie, dass solche Tierversuche nicht mehr regelmäßig sondern nur noch in seltenen Einzelfällen stattfinden sollen, vereitelt wird. So sind die Voraussetzungen für die Genehmigung eines schwerst belastenden Tierversuchs letztlich die gleichen wie für jeden anderen Tierversuch.
In der ursprünglich von der EU-Kommission vorgelegten Tierversuchsrichtlinie waren zahlreiche Verbesserungen im Sinne des Tierschutzes vorgesehen, welche im Zuge der Verhandlungen verwässert wurden. Nach Aussage des Gutachters hat sich auch Deutschland an diesen Verschlechterungen zulasten des Tierschutzes beteiligt. „Mit der Umsetzung in deutsches Recht ist die Bundesrepublik schließlich sogar noch hinter den Vorgaben der ohnehin schon weichgespülten Tierversuchsregelungen zurückgeblieben und widersetzt sich diesen teilweise. Dieser Rechtsbruch ist nicht hinnehmbar“, kommentieren die Ärzte gegen Tierversuche und der Bund gegen Missbrauch der Tiere.
Bereits das Expertengutachten von Prof. Dr. jur. Anne Peters, LL.M., Ordinaria für Völker- und Staatsrecht an der Universität Basel von April 2012, kommt zu dem Schluss, dass Deutschland die EU-Tierversuchsrichtlinie nicht korrekt umsetzt und gegen das Staatsziel Tierschutz verstößt. Die Vereine hatten die Umsetzung der EU-Tierversuchsrichtlinie in deutsches Recht von Beginn an mit zahlreichen Stellungnahmen begleitet und angesichts der gravierenden Mängel Verbesserungen eingefordert. Mit den beiden juristischen Expertengutachten sieht der Verein seine Forderung nach einer umfassenden Neugestaltung der Tierversuchsregelungen bekräftigt und überfällig.
Weitere Infos
Das Gutachten als PDF >>
Hintergrundinfos EU-Tierversuchsrichtlinie >>
Ärzte gegen Tierversuche e.V., Bund gegen den Missbrauch der Tiere e.V. und Tasso e.V. starteten im Februar eine Kampagne für ein Verbot von Tierversuchen mit Schweregrad „schwer“, Infos: www.schwimmen-bis-zur-verzweiflung.de