EU-Bericht über Chemikalien-Tierversuche:
REACH hat 700.000 Tieren das Leben gekostet
Mindestens 700.000 Tiere wie Ratten, Mäuse, Kaninchen und Fische wurden bislang infolge der Anwendung der Chemikalienverordnung REACH in Tierversuchen getötet. Das ist das Ergebnis einer Analyse des aktuellen REACH-Berichts der Chemikalienbehörde ECHA. Der Verein Ärzte gegen Tierversuche gibt zudem bekannt, Tierversuche an wenigstens 18.000 Tieren verhindert zu haben.
Die EU-Chemikalienbehörde ECHA nennt in ihrem aktuellen Bericht zum „Einsatz von Alternativen zum Tierversuche für REACH“ 4.887 neue Tierversuchsreihen, die für die Testung alter Chemikalien von 2011-2013 durchgeführt worden sind. Im letzten, 2011 veröffentlichten Bericht waren es 1.849 Tierversuchsreihen seit 2009.
Die Europäische Koalition zur Beendigung von Tierversuchen (ECEAE), bei der der bundesweite Verein Ärzte gegen Tierversuche Mitglied ist, geht von insgesamt mindestens 700.000 Tieren aus, die für REACH bislang vergiftet worden sind, etwa 230.000 für den vorhergehenden Berichtszeitraum und 460.000 für den aktuellen. „Die hohen Tierzahlen sind vor allem auf die Zweigenerationen-Studien zurückzuführen, bei denen die Testsubstanz schwangeren Ratten und ihren Nachkommen in zwei Generationen verabreicht wird, und die so besonders viele Tieropfer fordern – über 2.000 pro Test“, erläutert Dr. med. vet. Corina Gericke, Vizevorsitzende von Ärzte gegen Tierversuche.
Die EU verlangt in der 2007 in Kraft getretenen REACH-Verordnung, dass Europas Chemie-Industrie im Laufe von 11 Jahren alle ihre Chemikalien registrieren und ggf. nachtesten lassen muss. Bislang wurden 38.000 Dossiers bei der ECHA eingereicht.
Tierversuchsgegnerverbände hatten jahrelang für ein ganz tierversuchsfreies REACH gekämpft. Immerhin konnte erreicht werden, dass Dritte Kommentare zu bei der ECHA beantragten Tierversuchsvorschlägen einreichen können. Da es sich zum großen Teil um Substanzen handelt, die seit mehreren Jahrzehnten auf dem Markt sind, ist vieles über deren mögliche Giftigkeit längst bekannt. „Neue Tierversuche für Benzin, Weichmacher oder Schmieröl durchzuführen, ist weder ethisch noch wissenschaftlich zu rechtfertigen“, empört sich Gericke. Experten der Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche und ihrer Partner bei der ECEAE recherchieren daher, ob die geforderten Daten schon vorhanden sind, oder die Tierversuche aus anderen anerkannten Gründen nicht durchgeführt werden brauchen. Mindestens 17 Tierversuchsreihen an über 18.000 Ratten. Mäusen, Fischen und Vögeln konnten auf diese Weise bereits verhindert werden.
Besonders entsetzt zeigt sich der Ärzteverband über die hohe Anzahl von Haut- und Augenreizungstests, obwohl es hierfür längst tierversuchsfreie Testmöglichkeiten z.B. mit Zellkulturen gibt. Dem ECHA-Bericht zufolge wurden 188 neue Haut- und 363 Augenreizungstests vorgenommen. Dabei wird die Testsubstanz Kaninchen auf die geschorene Rückenhaut gerieben bzw. in die Augen geträufelt, um nach einigen Tagen den Verätzungsgrad zu beurteilen.
Die ECHA konstatiert weiter, dass die Firmen sich verstärkt austauschen, um Testunterlagen zu einem Stoff gemeinsam einzureichen oder dass Substanzen in Kategorien zusammengefasst werden, um so Tierversuche einzusparen. Zudem wurden bei 3.052 Versuchsreihen In-vitro-Methoden, d.h. Reagenzglas-Tests, eingesetzt. Die Behörde erkennt die Beträge Dritter an und bestätigt in ihrem Bericht, dass tierversuchsfreie Methoden in Zukunft weiter gefördert werden müssen. Für die Ärzte gegen Tierversuche ist das ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht genug. „REACH soll Menschen vor schädlichen Chemikalien schützen, doch mit Tierversuchen ist das nicht möglich, da die Ergebnisse vom Tier auf den Menschen nicht übertragbar sind“, so die Tierärztin abschließend.
Weitere Infos
ECHA report: The Use of Alternatives to Testing on Animals for the REACH Regulation