Geplante Tierversuche am Herzzentrum
»In Bad Oeynhausen gehen die Uhren rückwärts«
Am Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen sind Tierversuche geplant. Der neue Klinikchef Jan Gummert will Operationsübungen an Schweinen einführen. Die bundesweite Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche spricht von »rückwärtsgehenden Uhren«. Eine solche Neueinführung von Tierversuchen sei weder ethisch, noch gesellschaftlich, wissenschaftlich oder juristisch zu vertreten.
Mehr als 2,6 Millionen Tiere wurden im Jahr 2007 in Deutschland für Tierversuche verwendet, etwa 100.000 mehr als im Vorjahr. In der Politik ist man sich weitgehend einig, dass die seit Jahren steigenden Tierversuchszahlen alarmierend sind und dass wirkungsvolle Maßnahmen ergriffen werden müssen, um dem Trend entgegenzuwirken. Der Bundesrat setzte sich erst kürzlich dafür ein, die Zahl der für Versuche verwendeten Tiere zu senken und Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner forderte neue Wege zu gehen und auf die Entwicklung von Alternativmethoden zum Tierversuch zu setzen*.
»Doch in Bad Oeynhausen gehen die Uhren rückwärts«, so Dr. med. Wolf-Dieter Hirsch, Chirurg und stellvertretender Vorsitzender von Ärzte gegen Tierversuche. Am Herzzentrum soll ein »Trainingszentrum für Herzchirurgen« entstehen, wo an Schweinen geübt werden soll.
»Diese Tierversuche sind nicht nur ethisch verwerflich, sondern gefährden auch Patienten«, warnt Unfallchirurg Hirsch. »Chirurgen, die an Tieren üben, erlernen nur eine falsche und gefährliche 'Sicherheit'«. Viel sinnvoller sind OP-Simulatoren, die wie Flugsimulatoren funktionieren sowie eine ausgiebige Assistenztätigkeit. »Nur so können Operateure mit der nötigen Sensibilität an menschliche Patienten herangeführt werden«, ist sich der Mediziner sicher. »Wer möchte schon von einem Tierexperimentator operiert werden?«, fragt Hirsch.
Auch das Testen von neuen Operationsmethoden, Herzklappen, Kunstherzen usw. am Tier sei nicht nur nutzlos, sondern irreführend. »Ein gesundes Jungschwein unterscheidet sich vom kranken Menschen ganz erheblich«, erklärt der Chirurg, der während seiner Weiterbildung selbst zwei Jahre in der Herzchirurgie tätig war. »Die Ergebnisse sind nicht übertragbar.«
Die Ärztevereinigung sieht auch ein gesellschaftliches Problem, da Tierversuche zunehmend in der Bevölkerung nicht mehr akzeptiert werden.** Bei einer von der EU-Kommission initiierten Online-Umfrage sahen 93% der mehr als 42.000 Teilnehmer die gegenwärtige Tierversuchspraxis kritisch.
Weiterhin warnt der Ärzteverband vor einem möglichen Rechtsbruch. Operationsübungen an lebenden Tieren widersprechen dem Tierschutzgesetz, da ihr Zweck auf andere Weise, nämlich durch Assistenz und OP-Simulatoren, besser erreicht werden kann.
Die Ärzte gegen Tierversuche e.V. fordern von Politik und Behörden die Einführung von Tierversuchen in Bad Oeynhausen zu verhindern.
* dpa-Meldung vom 13.03.2009 und Presseerklärung des BMELV vom 21.11.2008
** Umfrage der EU-Kommission in 30 Ländern zu Tierversuchen