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Wie schlimm ist Schwimmen bis zur Verzweiflung?

Der forcierte Schwimmtest ist seit den 1970er Jahren Standard in der Depressionsforschung. Dabei werden Mäuse oder Ratten in einen mit Wasser gefüllten Behälter gegeben, in dem sie nicht stehen und aus dem sie nicht entkommen können. Dann wird beobachtet, wie lange die Tiere schwimmen und verzweifelt versuchen, zu entkommen. Den Tieren, die früher aufgeben, wird eine verringerte Antriebskraft unterstellt, die Depressionen ähneln soll. Während in anderen Ländern Maßnahmen ergriffen werden, um den Test zu verbieten, wurde am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim untersucht, wie stark Ratten in dem Test leiden. (1) Der bundesweite Verein Ärzte gegen Tierversuche ist entsetzt über diese Versuche und kritisiert ihre Förderung aus Steuergeldern.

Im kürzlich veröffentlichten Versuch der Mannheimer Forscher wurden Ratten in einen mit Wasser gefüllten Zylinder aus Plexiglas gegeben und 15 Minuten lang dabei beobachtet, wie sie versuchen, zu entkommen und schließlich aufgeben. Einem Teil der Tiere wurde ein Antidepressivum in die Bauchhöhle gespritzt, dann mussten die Ratten wieder in dem Zylinder um ihr Leben schwimmen. Die Forscher beobachteten, ob sich danach das Nestbauverhalten der Tiere ändert oder ob sie ein gesteigertes Verlangen nach Süßem haben. So wollten sie herausfinden, wie stark die Ratten unter dem Versuch leiden. Sie schlussfolgern, dass das Leid der Tiere lediglich „mittelgradig“ sei und dass durch eine Erhöhung der Wassertemperatur eine Auskühlung der Ratten verringert werden könnte. (1)

„Diese Versuche sind gleich in mehrfacher Hinsicht skandalös. So zeigen sie, wie ahnungslos Tierversuche durchgeführt und auch genehmigt werden,“ kritisiert Dr. Johanna Walter, wissenschaftliche Referentin bei Ärzte gegen Tierversuche. „Wie kann es sein, dass für einen seit Jahrzehnten durchgeführten Tierversuch nicht bekannt ist, welches Leid er verursacht? Auf welcher Basis wurde der forcierte Schwimmtest bisher überhaupt genehmigt? In den Tierversuchsanträgen ist eine Klassifizierung des Leids in sogenannte Schweregrade erforderlich. Wenn dies aber erst jetzt erforscht wird, basierten alle bisherigen Genehmigungen auf bloßen Vermutungen,“ so Walter weiter.

Belege für die wissenschaftliche Validität des grausamen Versuchs fehlen, denn die akute Verzweiflung der Tiere hat nichts mit einer menschlichen Depression gemeinsam und ermöglicht keine Aussagen über die Erkrankung. (2) Diese Einsicht wird zunehmend von Förderorganisationen und Wissenschaftlern geteilt. So hat der australische Bundesstaat New South Wales im März 2024 das weltweit erste Verbot des forcierten Schwimmtests beschlossen. (3,4) Ebenfalls im März 2024 kündigte die britische Regierung an, Maßnahmen ergreifen zu wollen, den Test komplett zu verbieten. (5) Zudem wurde er von führenden Pharmaunternehmen wie Roche, AbbVie und Pfizer eingestellt (6) – nicht nur, weil er grausam ist, sondern weil er hohe Kosten verursacht und keinerlei Nutzen hat.

Angesichts der mangelnden wissenschaftlichen Aussagekraft ist es vollkommen unverständlich, warum der forcierte Schwimmtest – auch „Verzweiflungstest“ genannt - in Deutschland und anderen EU-Ländern überhaupt noch erlaubt ist. „Dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) solche Versuche, die grausame und sinnlose Tierversuche beschönigen, auch noch fördert, ist unglaublich. Während der forcierte Schwimmtest in anderen Ländern verboten und von der Pharmaindustrie eingestellt wird, finanziert ihn die DGF – mit unseren Steuergeldern – auch weiterhin,“ kritisiert Walter.

Wer depressiven Menschen tatsächlich helfen möchte, dem steht eine wachsende Zahl von tierversuchsfreien Forschungsmethoden - von Bevölkerungsstudien über Organoide bis hin zu Computermodellen - zur Verfügung, die im Gegensatz zum Tierversuch sinnvoll für die Erforschung der psychischen Gesundheit sind. (7) Der forcierte Schwimmtest muss endlich – vollständig und weltweit – verboten werden.

Weitere Infos

Kampagne „Schwimmen bis zur Verzweiflung – Schluss mit Depressionsforschung an Tieren“ >> 

Neumann, G. Depression – Tierversuche und tierversuchsfreie Methoden. Ärzte gegen Tierversuche, 14.04.2023 >>

Quellen 

  1. Becker, L. et al. Evidence-based severity assessment of the forced swim test in the rat, PLoS ONE 2023; 18(10): e0292816
  2. NHMRC: Statement on the forced swim test in rodent models, Statement vom 13.12.2023
  3. The Canberra Times: World-first ban on animal smoking, forced swim tests, Artikel vom 14.03.2024
  4. Dan, H. Progress! A new policy could eliminate the use of the forced swim test in Australia. News von PeTA Australia vom 14.12.2024
  5. Letter from Lord Sharpe of Epsom responding to the ASC forced swim test report (accessible), 05.03.2024
  6. Pfizer bans forced swim tests in animal rights win, European Pharmaceutical Manufacturer, 01.11.2019 
  7. Neumann, G. Depression - Tierversuche und tierversuchsfreie Forschung, Ärzte gegen Tierversuche, 14.04.2023