Neue Studie belegt: Tierversuche führen in die Irre
Die Übertragung von Tierversuchsergebnissen auf die klinische Situation schlägt oft fehlt. Ein Grund hierfür sind die zahlreichen nicht veröffentlichten Tierstudien. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung.
Der gestern im Wissenschaftsjournal PLoS Biology erschienene Artikel analysiert die Auswirkungen von nicht veröffentlichten Tierversuchs-Studien auf die Klinik. Malcolm Macleod, Neurologe am Centre for Clinical Brain Sciences der Universität Edinburgh, Schottland, und sein Team werteten 525 Studien zu 1.359 Experimenten einer Datenbank über Schlaganfall-Forschung aus. Sie fanden heraus, dass weitaus mehr positive Berichte veröffentlicht wurden als statistisch wahrscheinlich. Tierexperimente zu unwirksamen Behandlungsmethoden kamen kaum vor. Die Wissenschaftler errechneten, dass 16% der Tierversuche mit einer geschätzten Anzahl von 3.600 Tieren nicht veröffentlicht wurden.
Von den 525 ausgewerteten Arbeiten berichteten 509 über bei Tieren wirksame Behandlungsmethoden für Schlaganfall. Nur 16 (3%) enthielten keine positiven Ergebnisse. Der Mangel an negativer Literatur verzerrt das Gesamtbild, somit wird die Wirksamkeit von Behandlungsmethoden überschätzt. Von den 509 beim Tier wirksamen Behandlungsmethoden sind nämlich nur zwei auch beim Menschen wirksam: Aspirin und eine frühe Thrombolyse mit Gewebeplasminogen.
Negativ ausgegangene Ergebnisse nicht zu veröffentlichen sei unethisch, heißt es weiter in der PloS-Studie. Diese Praxis verschwende Tierleben und nicht veröffentlichte Daten könnten auch nicht zum Gesamtwissen beitragen.
»Unerwünschte Ergebnisse zu publizieren ist der Karriere nicht förderlich«, weiß Dr. med. vet. Corina Gericke, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der bundesweiten Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche.
»Tierversuchsergebnisse dürfen nicht länger unter den Teppich gekehrt werden«, kritisiert Tierärztin Gericke weiter. Die Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche fordert eine lückenlose Dokumentation aller Tierversuche in Form von sogenannten Studienregistern, wie sie in der klinischen Forschung längst üblich sind. Der Verband setzt sich für eine Forschung gänzlich ohne Tierversuche ein. Als ersten Schritt müssten wenigstens Doppel- und Mehrfachversuche verhindert werden. »Hierfür ist die Dokumentation von Tierversuchen in einer zentralen Datenbank sowie eine rückwirkende Bewertung aller Tierversuche notwendig«, so Tierärztin Gericke weiter. »So kann auch die Nutzlosigkeit der Experimente bewiesen werden.«
In der aktuellen Überarbeitung der EU-Tierversuchsrichtlinie hatte die EU-Kommission eine solche rückwirkende Bewertung für die meisten Tierversuchsprojekte vorgesehen. Im Verlauf der Beratungen wurde diese Vorgabe auf besonders leidvolle Experimente an Primaten beschränkt. Der von EU-Parlament und Ministerrat ausgehandelte Kompromissentwurf zur Richtlinie befindet sich zurzeit in der Endphase. Mit einer Verabschiedung ist in den nächsten Wochen zu rechnen.