Niedersachsen: Wissenschaftsministerin will Paradigmenwechsel in der Forschung
Ärzte gegen Tierversuche im Deutschlandfunk
Der Deutschlandfunk widmete sich am 10. Mai ausführlich dem Thema Forschung ohne Tierversuche. Diskussionsteilnehmer der von Michael Roehl moderierten Radiosendung „Länderzeit“ waren Gabriele Heinen-Kljajić, Ministerin für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen, Claus Kronaus, Geschäftsführer des bundesweiten Vereins Ärzte gegen Tierversuche und Prof. Stefan Treue, Direktor des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen.
Anlass der Sendung war der in Niedersachsen neu gegründete Forschungsverbund „R2N - Replace und Reduce aus Niedersachsen - Ersatz und Ergänzungsmethoden für eine zukunftsweisende biomedizinische Forschung". Der Verein Ärzte gegen Tierversuche bewertet es als erfreulich, dass das sonst übliche dritte „R“, das für „Refine“ steht, hier entfällt. Darunter sind Maßnahmen zu verstehen, die das Leid der Tiere vermindern sollen. „Die „3 R“ sind ein Konzept, bei dem Tierversuche lediglich modifiziert, aber nicht als falsches Forschungssystem in Frage gestellt werden“, erläutert Claus Kronaus, „Wir erachten jedoch einen kompletten Paradigmenwechsel für überfällig - mit am Menschen orientierten wissenschaftlichen Hightech-Testmethoden, mit Ursachenforschung, klinischer Forschung und Prävention von Krankheiten.“
Wissenschaftsministerin Heinen-Kljajić hob in der Sendung den öffentlichen Druck hervor, der dazu führen kann, dass sich Systeme, in diesem Fall die Wissenschaft, bewegen.
Weiter betonte Heinen-Kljajić die hohe Bedeutung der Aufnahme des Tierschutzes ins Grundgesetz im Jahr 2002. Der Tierschutz müsse damit gleichrangig mit der Wissenschaftsfreiheit sein, de facto fehle es aber an der Umsetzung. So ist in Niedersachsen ein Anstieg der Tierversuchszahlen von rund 100.000 auf über 338.000 Tiere im Jahre 2015 zu verzeichnen. „Die Zahlen machen deutlich, dass wir handeln müssen“, so die Ministerin.
Heinen-Kljajić kritisierte weiterhin, dass bei der Genehmigung von Tierversuchen das deutsche Tierschutzgesetz lediglich die Erfüllung von Formalien vorsieht, während die EU-Vorgabe eine unabhängige Schaden-Nutzen-Analyse fordert. So liegt in Niedersachsen die Ablehnungsquote bei lediglich 0,3% der zur Genehmigung beantragten Tierversuche. Das Tierschutzgesetz müsse an dieser Stelle überarbeitet werden, meinte die Ministerin.
Sie stellte ferner heraus, dass die Suche nach Alternativmethoden oberstes Ziel sein müsse. Niedersachsen dürfe bei der Förderung dieser Methoden keine Nischenlösung sein und sie sprach von einem Paradigmenwechsel, der in der Forschung erreicht werden müsse.
Der Verein Ärzte gegen Tierversuche bewertet den Vorstoß Niedersachsens als einen Schritt in die richtige Richtung, kritisiert aber gleichzeitig, dass Heinen-Kljajić in der Sendung die Ansicht vertrat, ein Verbot von Tierversuchen würde die menschliche Gesundheit auf’s Spiel setzen. „Ein echter Paradigmenwechsel, d.h., dass der Tierversuch nicht länger „Goldstandard“ ist, würde der menschlichen Gesundheit zugutekommen, denn Tierversuche halten wegen der mangelnden Übertragbarkeit auf den Menschen den medizinischen Fortschritt nur auf“, so Kronaus abschließend.