Sprache auswählen

To Homepage

Ärzteverein kritisiert Xenotransplantationsforschung

Am 16. März wurde dem 62 Jahre alten Richard Slayman in Boston (USA) als erstem lebenden Menschen weltweit eine Schweineniere transplantiert. Knapp zwei Monate nach dem Eingriff ist der Patient gestorben. Dennoch sehen die beteiligten Ärzte vom Massachusetts General Hospital (MGH) in Slayman „ein Leuchtfeuer der Hoffnung für unzählige Transplantationspatienten“ (1). Der bundesweite Verein Ärzte gegen Tierversuche ist entsetzt darüber, wie die Xenotransplantationsforschung nicht nur weiterhin unzählige Tiere opfert, sondern auch mit den Hoffnungen schwerkranker Patienten spielt.

Nachdem bei Slayman, der wegen Typ-2-Diabetes und Bluthochdruck Nierenversagen entwickelte, eine 2018 transplantierte menschliche Niere versagt hatte und er zunehmend unter Komplikationen bei der Dialyse litt, schlugen die Ärzte ihm den riskanten Eingriff vor. Die Niere, die ihm am 16. März transplantiert wurde, stammt von einem Schwein, das gentechnisch so verändert wurde, dass bestimmte Stoffe, die das menschliche Immunsystem attackieren könnte, ausgeschaltet wurden. Zusätzlich wurden menschliche Gene eingefügt und im Erbgut schlummernde Viren entfernt.

Im Jahr 2022 wurden bereits zwei genetisch modifizierte Schweineherzen transplantiert, die Patienten starben 6 und 8 Wochen nach der Transplantation (2). Im Falle von Slayman hofften die Ärzte auf ein längeres Überleben, da die Schweineniere mit insgesamt 69 genetischen Veränderungen im Vergleich zu 10 Modifikationen bei den zuvor verpflanzten Schweineherzen besser an den Menschen angepasst worden sei. Die Transplantation von Schweinenieren wurde zuvor an Pavianen und hirntoten Patienten getestet. Zu den Umständen von Slaymans Tod ist derzeit nichts bekannt, laut Pressemitteilung des MGH gäbe es bisher keine Hinweise dafür, dass der Tod des Patienten mit der Xenotransplantation zusammenhängt.

Derzeit lebt eine weitere, ebenfalls an Diabetes erkrankte Patientin mit einer Schweineniere, die ihr am 12. April in New York (USA) transplantiert wurde (3). „Der Patientin wünsche ich natürlich alles Gute,“ sagt Dr. Johanna Walter, wissenschaftliche Referentin bei Ärzte gegen Tierversuche. „Dennoch ist es befremdlich, wie sehr die medizinische Forschung auf technisch immer aufwändigere Verfahren setzt und dabei Tiere nicht nur zu Testobjekten, sondern auch zu beliebig genetisch modifizierbaren Ersatzteillagern degradiert“, so Walter weiter.

In Deutschland wird an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München an der Xenotransplantation geforscht. Hier werden seit mindestens drei Jahrzehnten Schweineherzen in Paviane verpflanzt. Die Affen sterben unter schlimmsten Qualen oft schon nach wenigen Stunden oder mitunter nach einigen Wochen oder Monaten, was medienwirksam als ‚Erfolg‘ gefeiert wird. Der Durchbruch, der seit Jahrzehnten immer wieder als unmittelbar bevorstehend angekündigt wird, bleibt jedoch bis heute aus (4).

Die häufigsten Ursachen für Nierenversagen sind Diabetes und Bluthochdruck. Beide Erkrankungen lassen sich wesentlich auf falsche Ernährung, Übergewicht, Bewegungsmangel und Rauchen zurückführen. „Die Mehrheit der Menschen, die in Zukunft unter Nierenversagen leiden werden, könnten heute durch einfache Anpassung ihres Lebensstils Zivilisationserkrankungen und daraus resultierende Organschäden vermeiden. Dies wäre eine risikolose und kostengünstige Maßnahme, die auch den Mangel an Spenderorganen mildern würde, welcher der Xenotransplantationsforschung als Rechtfertigung dient“, so Walter.

Hier sieht der Verein neben dem Gesundheitssystem vor allem auch die Politik in der Pflicht, der Prävention von Erkrankungen stärkeres Gewicht zu verleihen, anstatt abzuwarten, bis Patienten krank und verzweifelt genug sind, um in hochriskante und ethisch zweifelhafte Experimente einzuwilligen. Stattdessen weiterhin Geld in die Xenotransplantationsforschung zu pumpen, hält der Verein für unverantwortlich. Therapiemöglichkeiten sollten durch eine leistungsstarke und humanorientierte Forschung vorangetrieben werden.