REACH-Tierversuche verhindern
Erste Zwischenbilanz des engagierten Projektes
Die EU-Verordnung REACH sieht vor, dass Zigtausende zum Teil seit Jahrzehnten verwendete Haushalts- und Industriechemikalien in qualvollen und unzuverlässigen Tierversuchen getestet werden sollen. Schätzungen gehen von acht bis 54 Millionen Ratten, Mäusen, Kaninchen, Fischen und anderen Tieren aus, die REACH zum Opfer fallen werden. Der bundesweite Verein Ärzte gegen Tierversuche hat ein Projekt ins Leben gerufen, mit dem möglichst viele dieser Tierversuche verhindert werden sollen.
Die chemische Industrie muss Tierversuchsvorhaben für Chemikalien, die in Mengen von mehr als 100 Tonnen pro Jahr produziert werden, bei der Chemikalienbehörde ECHA beantragen. REACH verlangt, dass diese Anträge 45 Tage lang im Internet zur Kommentierung durch Dritte veröffentlicht werden. Experten der Tierversuchsgegner haben so die Chance, herauszufinden, ob die geforderten Daten nicht schon vorhanden sind oder ob es andere, von der Behörde anerkannte Gründe gibt, auf die beantragten Tests zu verzichten.
Die Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche (ÄgT) und die britische Union zur Abschaffung von Tierversuchen (BUAV, heute Cruelty Free International), die zusammen in dem Dachverband Europäische Koalition zur Beendigung von Tierversuchen (ECEAE) organisiert sind, haben zwei Toxikologen engagiert, deren Aufgabe es ist, REACH-Tierversuche zu verhindern.
Erste Bilanz nach einem Jahr: Die Experten der ÄgT und der BUAV haben bislang alle 15 von der ECHA veröffentlichten Anträge umfangreich kommentiert. In allen Fällen konnten zahlreiche Studien von zum Teil vor langer Zeit durchgeführten Tierversuchen gefunden werden. Nach Ansicht der Ärztevereinigung darf es also keinen Grund geben, diese Tiertests noch einmal vorzunehmen.
Bei den üblichen toxikologischen Tierversuchen werden z.B. zur Testung der Giftigkeit Substanzen Ratten oder Mäusen täglich 90 Tage lang in den Magen gepumpt. Um die Auswirkungen auf die Nachkommen zu untersuchen, wird der Teststoff an weibliche Ratten oder Kaninchen sowie deren Junge verabreicht. Fischen wird die Chemikalie ins Wasser gegeben, Meerschweinchen auf die geschorene Haut gerieben.
»Je nach Art und Dosierung der Substanz leiden die Tiere an schrecklichen Vergiftungserscheinungen und sterben qualvoll«, erklärt Dr. med. vet. Corina Gericke von Ärzte gegen Tierversuche. Alle überlebenden Tiere werden schließlich getötet. Allein für reproduktionstoxikologische Studien, bei denen die Wirkung einer Substanz auf die Nachkommen getestet wird, werden über 1.000 Tiere getötet.
»Diese Tierversuche sind nicht nur extrem grausam, sondern auch völlig untauglich, um die Sicherheit des Menschen vor gefährlichen Chemikalien zu gewährleisten«, ist die Tierärztin überzeugt. Die Ärztevereinigung hält es in diesem Fall jedoch für sinnvoll, auf alte Tierversuchsdaten zurückzugreifen, um neue Tierversuche zu verhindern. Zudem lassen sich für viele schon seit langem verwendete Chemikalien epidemiologische oder arbeitsmedizinische Daten auffinden, die der Einschätzung möglicher Risiken dienen.
Die von den Toxikologen bislang bearbeiteten Anträge umfassen Tierversuche an 12.652 Ratten, 1.056 Kaninchen, 320 Fischen und 50 Mäusen. Ob diese Tierversuche aufgrund der wissenschaftlichen Stellungnahmen der Tierversuchsgegner-Experten nicht durchgeführt werden, entscheidet die ECHA im Laufe der nächsten 12 Monate. In den nächsten Jahren werden Hunderte weitere Anträge erwartet, zu denen die Fachleute ausführlich Stellung beziehen werden.
Die ECEAE stellt die vorläufige Bilanz ihrer REACH-Kommentierungen auf dem 16. Kongress über Alternativen zum Tierversuch vom 2.-4 September 2010 in Linz, Österreich, der Fachöffentlichkeit vor. Insbesondere die chemische Industrie soll angesprochen werden, mit der ECEAE zusammenzuarbeiten, denn eingesparte Tierversuche sparen auch Geld.