Schweiz: Neues Institut zu humanrelevanter Forschung gegründet
- News
Effizientere Medikamentenentwicklung durch tierversuchsfreie Forschung
Mit der Gründung des „Institute of Human Biology“ möchte der Schweizer Pharmakonzern Roche die Entwicklung von Medikamenten verbessern und effizienter gestalten. Hierzu werden an dem Institut keine Tierversuche eingesetzt, sondern moderne humanbasierte Modelle wie menschliche Mini-Organe oder innovative Computermodelle.
Der Pharmariese Roche setzt schon seit langem auf die Entwicklung und den Einsatz tierversuchsfreier Methoden für die Erforschung von menschlichen Erkrankungen und die Entwicklung von Medikamenten. Nun hat Roche in Basel das Institut für Humanbiologie (IHB) gegründet, an dem bis zu 250 neue Stellen geschaffen wurden. Am IHB arbeiten etliche Forschergruppen daran, die Medikamentenentwicklung besser und effizienter zu gestalten. Hierzu werden am IHB keine Tierversuche gemacht, sondern ausschließlich humanbasierte Forschungsmodelle eingesetzt. Laut Roche soll dadurch die Erforschung von Krankheiten verbessert und die Entwicklung von Medikamenten beschleunigt werden.
„Die Arbeit des Instituts könnte die Art, wie wir Medikamente entdecken und entwickeln, im nächsten Jahrzehnt neu definieren“, so Prof. Matthias Lütolf, Leiter des IHB. Prof. Lütolf ist einer der Pioniere im Bereich humanbasierter Forschung. Eingesetzt werden am IHB unter anderem diverse Organoide, also im Labor gezüchtete menschliche Mini-Organe, sowie Computermodelle, die vorhersagen, wie Medikamente sich im menschlichen Körper verhalten. „Das IHB vereint das Beste aus beiden Welten: explorative Forschung, wie im akademischen Bereich, aber mit einem klaren translationalen Ziel – d.h. die Wissenschaft kann für die reellen Herausforderungen bei der Medikamentenentwicklung eingesetzt werden”, so Lütolf. „Wir müssen so früh wie möglich erkennen, ob ein neuer Wirkstoff sicher und wirksam beim Menschen ist und nicht warten, bis wir es in den klinischen Studien herausfinden, denn das ist zeit- und kostenaufwendig.“
Roche setzt also auf humanbasierte Forschungssysteme und personalisierte Medizin als zukunftsweisende Technologien. „Menschliche Modellsysteme wie Organoide sind die Zukunft unserer Branche“, sagt Prof. Hans Clever, Chef für Pharmaforschung und frühe Entwicklung bei Roche und weltweit führender Experte in der Organoid-Forschung. „Sie dürften das Potenzial haben, fast sämtliche der bei der Suche nach neuen Therapien nötigen Schritte zu verbessern.“ Die Vision bei der personalisierten Medizin ist, dass es Modellsysteme geben soll, bei denen ein Patient individuell abgebildet ist und mit denen gezielt Therapien getestet werden können, die für diesen bestimmten Patienten am besten geeignet sind. Laut Roche konnten mit Organoiden, die aus Patientenzellen gewonnen werden, Tierversuche bereits reduziert werden. Zudem würde die präklinische Medikamentenentwicklung dadurch präziser und die Vorhersagekraft für die klinischen Studien am Menschen erhöht werden. Organoide hätten laut dem Konzern das Potenzial, die menschliche Biologie und humane Erkrankungen besser widerzuspiegeln als das mit Tierversuchen möglich sei.
„Roche hat erkannt, dass die moderne tierversuchsfreie Forschung die Medikamentenentwicklung verbessern wird und hat Tierversuche in den letzten Jahren bereits um 40% reduziert. Auch der Pharmakonzern Sanofi hat kürzlich bekanntgegeben, die Zahl der Tierversuche bis 2030 halbieren zu wollen“, sagt Dr. Tamara Zietek, Wissenschaftskoordinatorin bei Ärzte gegen Tierversuche. „Es gibt sicherlich einiges zu kritisieren an den großen Pharmakonzernen, aber sie setzen sich stark für humanbasierte, tierversuchsfreie Forschung ein. Nicht primär aus ethischen Gründen, sondern weil die schlechte Voraussagekraft von Tierversuchen auf den Menschen für die Pharmaindustrie ein großes Problem ist und horrende Kosten bei der Medikamentenentwicklung verursacht.“
Die Gründung von Instituten wie dem IHB ist erfreulich und sollte auch in Deutschland vorangetrieben werden. Es braucht aber auch Änderungen in Politik und Gesetzgebung, denn immer noch fordern die zuständigen Behörden von den Unternehmen Tierversuche für die Medikamentenzulassung. In den USA wurde diesbezüglich unlängst ein wegweisender Schritt getan. Mit dem FDA Modernization Act 2.0 wird es Pharmaunternehmen ermöglicht, neue Arzneimittel ganz ohne Tierversuche auf den Markt zu bringen.
Ärzte gegen Tierversuche setzt sich massiv dafür ein, dass Tierversuche bei solchen vorgeschriebenen Sicherheitstestungen abgeschafft werden und ausschließlich humanbasierte Methoden eingesetzt werden. Auf diese Weise würden nicht nur Tiere verschont, sondern die Medizin für den Menschen verbessert und die Sicherheit für Patienten erhöht – ein Gewinn für alle
Quellen
Institute of Human Biology: Engineering the most advanced human model systems for drug discovery, drug development and precision medicine.
Roche: Modelling the future. Press release 04.05.2023.