Studie: Heilsversprechungen der tierexperimentellen Forschung
119 Versprechungen aus drei Jahrzehnten beleuchtet
Aids ist seit 1983 besiegt, Krebs seit 1990 und seit 2005 können routinemäßig Schweineherzen auf Menschen transplantiert werden – so zumindest die auf Tierversuchen basierenden Prognosen mancher Forscher. Wenn eine neue Behandlungsmethode im Tierversuch funktioniert, wird dies oft übertrieben positiv in der Öffentlichkeit dargestellt, doch tatsächlich bleibt die effektive Therapie für kranke Menschen aus. Eine heute veröffentlichte Untersuchung des bundesweiten Vereins Ärzte gegen Tierversuche wertet Medienartikel aus drei Jahrzehnten aus und geht der Frage der Ursache für die falschen Prognosen nach.
„Erstmals Affen von Diabetes geheilt! Neue Hoffnung für Aids-Patienten! Durchbruch bei Parkinson-Forschung! Im Tierversuch erfolgreich getestet! Querschnittsgelähmte Ratten laufen wieder! Blinde Mäuse wurden sehend!“ lauten einige typische Hoffnung schürende Schlagzeilen. Eine aktuelle Auswertung von 119 solcher Heilsversprechungen aus 110 Medienberichten aus drei Jahrzehnten des Vereins Ärzte gegen Tierversuche zeigt, dass Verheißungen dieser Art in der Presse Gang und Gäbe sind. Dabei werden Heilsversprechungen nicht erst durch die Medien aufgebauscht, sondern sie finden sich großenteils bereits in der akademischen Pressemitteilung, d.h. gehen auf die Forscher selbst zurück. Dass die Mittel und Methoden beim Menschen dann doch nicht wirken, ist jedoch keine Erwähnung mehr wert.
Der Auswertung zufolge ist die Xenotransplantationsforschung ein Zweig, der besonders zu übertriebenen Aussichten neigt. Dabei sollen Schweine als Ersatzteillager für defekte Organe von Menschen dienen. Erste Versprechungen, Schweineherzen und -lebern auf Patienten zu verpflanzen, aus dem Jahr 1987 visieren 2005 als Umsetzung an. „Doch auch heute – nach 30 Jahren Erfolglosigkeit – werden an der LMU München noch immer Schweineherzen auf Paviane transplantiert. Die Primaten sterben alle innerhalb weniger Minuten oder Tage an der Abstoßungsreaktion“, weiß Dr. med. vet. Corina Gericke, Autorin der Studie.
Der Ärzteverein sieht die Ursache, weshalb die Prognosen nicht eintreten, in der Verschiedenheit zwischen Tier und Mensch sowie dem Einsatz von „Tiermodellen“, bei denen versucht wird, Symptome menschlicher Erkrankungen nachzuahmen. So werden Alzheimer und Krebs bei Mäusen durch Genmanipulation ausgelöst, ein Schlaganfall wird durch Verstopfen einer Hirnarterie bei Ratten simuliert und Parkinson durch Injektion eines Nervengifts in das Gehirn von Ratten. Mäuse gelten als „depressiv“, wenn sie in einem Wasserbehälter aufhören zu schwimmen oder nicht hochspringen, wenn das Bodengitter unter Strom gesetzt wird. Nach Aussage des Ärztevereins sind solche künstlich bei Tieren ausgelösten Symptome nicht vergleichbar mit den komplexen Krankheitsvorgängen beim Menschen.
„Die Heilsversprechungen in den Medien sind für die tierexperimentell tätigen Forscher nötig, zum einen, um die Akzeptanz ihrer Tierforschungen in der Öffentlichkeit zu erhöhen. Zum anderen sorgen die vermeintlichen "Erfolgsmeldungen" für eine Weiterfinanzierung, denn man steht ja kurz vor dem Durchbruch und braucht Geld, um ihn zu erreichen“, erklärt Tierärztin Gericke. „Erschreckend daran ist vor allem, dass in den Köpfen der Menschen so fälschlicherweise haften bleibt, dass Tierversuche für den Durchbruch bei der Bekämpfung unserer Krankheiten notwendig seien. Dabei ist das Gegenteil der Fall.“
Der Verein fordert eine Abkehr vom Tierversuch nicht nur aus Tierschutzgründen, sondern auch, um Patienten vor falschen Hoffnungen zu bewahren und um durch Umwidmung von Forschungsgeldern zugunsten einer auf den Menschen ausgerichteten medizinischen Forschung zu wirklichen Fortschritten bei der Behandlung und Heilung menschlicher Krankheiten zu kommen.