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Strafanzeigen gegen 14 hessische Tierlabore

Zu alt, nicht das „richtige“ Geschlecht oder die gewünschten Gene – solche Tiere werden in Tierversuchslaboren regelmäßig als „Überschuss“ getötet. Die Vereine Ärzte gegen Tierversuche (ÄgT) und Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht (DJGT) stellten heute Strafanzeigen gegen 14 hessische Tierversuchseinrichtungen* wegen Verdachts auf Tiertötung ohne den im Tierschutzgesetz vorgeschriebenen vernünftigen Grund. Dort sind nach ihren Informationen im Jahr 2017 insgesamt 151.632 Tiere aus rein wirtschaftlichen Gründen und damit gesetzeswidrig getötet worden.

Zusätzlich zu den rund 300.000 in Tierversuchen verwendeten Tieren wurden allein 2017 in den 14 hessischen Tierversuchseinrichtungen 151.632 sogenannte Überschusstiere getötet, weil es für sie keine Verwendung gab. Dies geht aus der Antwort des Hessischen Umweltministeriums auf eine Kleine Anfrage der hessischen Linken hervor, die vom Ärzteverein angeregt worden war.

In einem Versuchsprojekt sollen Tiere üblicherweise das gleiche Alter und Geschlecht haben. Meist werden männliche Tiere verwendet, da sie weniger hormonellen Schwankungen unterliegen als weibliche. Zu alte und weibliche Tiere werden getötet. Es wird vermieden, Tiere aus einem Wurf zu verwenden. Überzählige Geschwistertiere werden getötet. Bei der Züchtung genmanipulierter Tiere entstehen grundsätzlich drei Arten von Nachkommen: Solche, die die genetische Veränderung zum Teil oder gar nicht tragen, sind für den Versuch uninteressant und werden getötet. Hier fällt der meiste „Überschuss“ an.

Informationen der Vereine zufolge erfolgt das Töten überzähliger Tiere nachweislich aus rein wirtschaftlichen Gründen. Die Labore müssten die Tiere vermitteln oder in einem „Altersheim“ bis an ihr Lebensende pflegen, was aus Kostengründen regelmäßig unterbleibt. Dass dies kein vernünftiger Grund für die Tötung von Tieren ist, hat zuletzt das Bundesverwaltungsgericht für den Fall der überzähligen männlichen Eintagsküken bestätigt und das weitere Töten nur deswegen als vernünftigen Grund bezeichnet, da bald die Geschlechtsbestimmung im Ei möglich sei. „Diese Option besteht im Fall der „Überschusstiere“ nicht, weshalb der vernünftige Grund fehlt und die Tiertötungen illegal sind,“ so Dr. Barbara Felde, stellvertretende Vorsitzende der DJGT.

Der Vorwurf der gesetzeswidrigen Tiertötung in Tierversuchslaboren gilt keinesfalls nur hessischen Laboren, betonen die Vereine. Üblicherweise werden die Zahlen der in den einzelnen Laboren getöteten „Überschusstiere“ unter Verschluss gehalten. „Die Strafanzeigen gegen die Leiter und Mitarbeiter der hessischen Labore zeigen lediglich exemplarisch, welch verborgenes Tierleid nicht nur Tierversuche selbst darstellen, sondern auch die damit verbundene lebensverachtende Maschinerie“, kommentiert Dipl.- Biol. Silke Strittmatter, wissenschaftliche Mitarbeiterin von Ärzte gegen Tierversuche.

Offiziellen Angaben zufolge wurden in Deutschland 2017, dem Jahr, ab dem aufgrund einer EU-Vorgabe erstmals „Überschusstiere“ gezählt werden mussten, rund 3,9 Millionen Tiere im Labor nicht im Versuch eingesetzt und mangels Verwendungszwecks getötet – zusätzlich zu den rund 2,9 Millionen in Tierversuchen verwendeten Tieren. In einer Rechtsstudie hatten Ärzte gegen Tierversuche und die DJGT klar belegt, dass die Tötung dieser „Überschusstiere“ rechtswidrig ist.

Neben der in allen Tierversuchslaboren gängigen Praxis der Tiertötung von „Überschusstieren“ prangern die Vereine an, dass diese enormen Tierzahlen weitgehend unbekannt bleiben. Ihrer Ansicht nach handelt es sich entweder um Tierversuche im Sinne des Gesetzes, deren Anzahl zwingend öffentlich gemacht werden muss, oder aber um eine illegale Tötung ohne vernünftigen Grund, die vorsätzlich erfolgt und einen Straftatbestand darstellt.

Verfasser: Dipl. Biol. Silke Strittmatter

*Tierversuchseinrichtungen und Zahl der „Überschusstiere“:

  • Justus-Liebig-Universität Gießen: 12.950
  • Philipps-Universität Marburg: 16.850
  • Goethe Universität Frankfurt - verschiedene Standorte: 32.748
  • Technische Universität Darmstadt: 872
  • Max-Planck-Forschungsstelle für Neurogenetik: 13.848
  • Max-Planck-Institut für Herz-und Lungenforschung: 23.224
  • Max-Planck-Institut für Hirnforschung: 33.158
  • Georg-Speyer-Haus, Frankfurt Institut für Tumorbiologie und experimentelle Therapie: 9.645
  • Ernst Strüngmann Institut GmbH: 116
  • Paul-Ehrlich Institut: 6.782
  • Merck Healthcare KGaA: 53
  • ECT Oekotoxikologie GmbH: 222
  • Ibacon GmbH: 889
  • Envigo CRS GmbH R: 275