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Von vermeintlichen Durchbrüchen und leeren Versprechungen der Xenotransplantations-Forschung

Forscher aus den USA haben genetisch veränderte Schweine-Nieren in Javaneraffen transplantiert. Dass nun 3 von 21 Affen den Eingriff länger als zwei Jahre überlebt haben, wird als Durchbruch gefeiert und auch von den deutschen Medien umfassend aufgegriffen. Der bundesweit tätige Verein Ärzte gegen Tierversuche ist entsetzt darüber, dass wieder einmal zahlreiche Tiere leiden und sterben mussten und Patienten Hoffnung gemacht wird. Es gab bereits unzählige solcher „Erfolge“ in der Xenotransplantation, von denen man bestenfalls nicht mehr viel hörte oder die mit dem Tod von Patienten endeten.

In einer am 11. Oktober in der Fachzeitschrift Nature erschienenen Studie wurden verschieden stark genetisch veränderte Schweine-Nieren in 21 Javaneraffen transplantiert. Die Nieren stammten von geklonten Schweinen, deren Erbgut mit der sogenannten genetischen Schere CRISPR-Cas an bis zu 69 Positionen verändert wurde. Die Veränderungen sollten die Abstoßung des Organs verhindern, indem Strukturen, die vom Immunsystem des Organempfängers als fremd erkannt werden könnten, entfernt werden. Zudem wurden bei einem Teil der Nieren sieben menschliche Gene eingefügt und im Erbgut der Schweine integrierte Viren entfernt (1).

Die Nieren der Affen wurden operativ entfernt und durch die Schweine-Organe ersetzt. Vor und nach dem Eingriff erhielten die Affen einen ganzen Cocktail verschiedener Medikamente, der ihr Immunsystem unterdrücken sollte. Zehn der Affen wurden innerhalb des ersten Monats nach der Transplantation getötet, überwiegend, weil die transplantierten Nieren versagten. Einige wenige der Tiere, denen durch Einbau menschlicher Gene „humanisierte“ Schweine-Nieren eingepflanzt wurden, überlebten die Transplantation länger. Nur 3 der Affen überlebten länger als 2 Jahre. Von diesen Tieren wurde aber eines kurz nach Überschreiten der 2-Jahres-Marke wegen Flüssigkeitsansammlungen im Gewebe und Nierenschwäche getötet. „Das Leid für die Tiere ist dabei immens. Nicht umsonst stuft die EU-Tierversuchsrichtlinie solche Versuche als Schweregrad ‚schwer‘ ein“, weiß Dr. Johanna Walter, wissenschaftliche Referentin bei Ärzte gegen Tierversuche.

Ziel der Arbeiten ist es, Schweine-Organe für den Einsatz beim Menschen zur Verfügung zu stellen, um so dem Mangel an Spenderorganen zu begegnen. Federführend bei der nun erschienenen Studie ist unter anderem die Firma eGenesis (USA), welche die genetische Veränderung der Schweine-Nieren durchgeführt hat. eGenesis geht davon aus, dass diese Arbeiten ihre Bestrebungen, das Verfahren auch am Menschen zu testen, wesentlich voranbringen werden (2).

„Warum diese Tierversuche als Erfolg gefeiert werden, ist völlig unverständlich,“ so Dr. Walter weiter. „Selbst bei Transplantation der am stärksten ‚optimierten‘ Nieren musste das erste Tier bereits nach 6 Tagen getötet werden, weitere wenig später. Nur 3 der Tiere leben länger als 2 Jahre. Warum die Überlebenszeit so stark variiert ist vollkommen unbekannt. Die Experimentatoren selbst vermuten, dass es daran liegen könnte, dass die Schweine-Nieren humanisiert, also dem menschlichen Organ ähnlicher gemacht worden sind und nicht für Javaneraffen optimiert wurden – womit sie selbst die mangelnde Übertragbarkeit von Tierversuchen einräumen“, erläutert Walter.

Auch hier wird also letztlich erst der Versuch am Menschen Klarheit bringen. Wie diese Versuche am Menschen ausgehen könnten, ist – selbst abseits der Gefahren durch eine Transplantatabstoßung und die Übertragung von Viren – ungewiss, da sich Mensch und Affe ganz wesentlich in Größe, Gewicht und Blutdruck unterscheiden (3). Bisher erhielten erst zwei Patienten Schweine-Organe. So wurde im Januar 2022 in den USA ein genetisch modifiziertes Schweineherz in einen Menschen verpflanzt. Der Patient starb 2 Monate später – wahrscheinlich, weil mit dem Herzen zusammen ein Virus transplantiert wurde, dem das durch Medikamente geschwächten Immunsystem des Organempfängers nichts entgegenzusetzen hatte. Somit stellen klinische Studien am Menschen – trotz der zuvor durchgeführten Tierversuche – ein völlig unkalkulierbares Risiko für die Patienten dar, welche sich in ihrer Verzweiflung für solche Versuche zur Verfügung stellen könnten.

Die Xenotransplantations-Forschung verspricht seit Jahren den serienmäßigen Austausch defekter Organe. So wurde an der LMU München durch den Herzchirurgen Bruno Reichart bereits 2018 ankündigt, dass die Xenotransplantation innerhalb von 3 Jahren die Klinik erreichen könnte, nachdem ein Pavian die Transplantation eines ebenfalls genmanipulierten Schweineherzens 6 Monate überlebte. Seit mittlerweile 30 Jahren arbeiten die Münchner Forscher daran, das Verfahren zu verfeinern (4). Und auch heute noch, deutlich nach dem bereits 2018 in Aussicht gestellten Eintritt in die Klinik, ist kein wesentlicher Fortschritt zu erkennen.

Ärzte gegen Tierversuche fordert ein Ende der Xenotransplantations-Forschung, welche immenses Tierleid bedeutet und seit Jahrzehnten ihre Versprechen nicht einhält. Schweine als beliebig genetisch zu manipulierende Ersatzteillager zu missbrauchen ist inakzeptabel. Die Xenotransplantation kann keine Lösung für den Mangel an Spenderorganen sein. Vielmehr müssen durch konsequente Präventionsmaßnahmen die Gesundheit der Menschen gestärkt und Therapiemöglichkeiten durch eine leistungsstarke, innovative, humanorientierte High-Tech-Forschung vorangetrieben werden.

Weitere Infos

Kampagne „Stoppt Xenotransplantation“ >> 

Quellen

(1) Anand R.P. et al. Design and testing of a humanized porcine donor for xenotransplantation. Nature 2023; 622: 393–401 >> 
(2) eGenesis announces publication in Nature of landmark preclinical data demonstrating long-term survival with genetically engineered porcine kidneys. Pressemitteilung von eGenesis, 11.10.2023 >> 
(3) Kozlov M. Monkey survives for two years after gene-edited pig-kidney transplant. News in Nature Online, 11.10.2023 >>
(4) Zietek T. Xenotransplantation: Wie immenses Tierleid als „Meilenstein“ verkauft wird. Stellungnahme Ärzte gegen Tierversuche, 13.12.2018 >>